Mit fast einer Stunde Verspätung landen wir auf dem Flughafen in Marrakesch. Unser Abholservice hat geduldig gewartet. Die Buchstabenfolge auf dem Schild mit unserem Namen ist seltsam verdreht. Egal, Hauptsache nicht Arabisch. Die Fahrt in die Innenstadt dauert nur kurz. An einem geeigneten Platz lässt uns der Fahrer aussteigen und ordert die nächste Abholung. Die Riads in der Medina können nicht per PKW angefahren werden. Phillipe, unser Gastgeber bringt uns zu Fuß zu einer Freundin ins Riad Boussa. Er erzählt uns, dass wir wegen eines Wasserschadens nicht bei ihm einquartiert werden können. Der Konversation in Französisch können wir nur mäßig folgen, hoffen dass alles einen geordneten Verlauf nimmt. Der Empfang ist sehr herzlich, es gibt Pfefferminztee und Brigitte informiert uns über alles Nötige. Das Ambiente der Unterkunft ist wunderschön, die Zimmer klein, aber sehr geschmackvoll. Zum Abendessen im Riad, wir wollen uns nicht gleich am ersten Tag den Garküchen am Jema al Fnaa Platz aussetzen, gibt es gefüllte Teigtaschen, Zitronenhühnchen und als Nachspeise Erdbeeren und Avocado. Es schmeckt ausgezeichnet. Danach wagen wir uns in das Gedränge der Gassen. Wir laufen erstmals über den berühmten Gauklerplatz und besorgen die ersten Dirham.
Der Urlaub fängt gut an! Von der den Innenhof umlaufenden Galerie sehen wir einen schön gedeckten Frühstückstisch. Es gibt verschiedene Marmeladen, frisches Brot, Pfannkuchen und süßen, frischen Orangensaft. Wir begleichen die Rechnung für das Abendessen und die Getränke, 25 Euro pro Person, und werden vom gleichen Kofferkarrenfahrer wie am Vortag zum Jema al Fnaa Platz gebracht. Jetzt am Morgen darf dieser von Pkws befahren werden. Nach kurzer Zeit kommt Mohamed, unser Fahrer, gekleidet mit Djellabah und Turban im Landcruiser an. Für die nächsten Tage sind wir ein »Team«. Wir verlassen die Stadt, vorbei am königlichen Palast, König Mohamed IV ist derzeit anwesend, und am königlichen Golfplatz. Es geht durch einige kleine Orte und dann kurvenreich hoch zum Tizi n Tichka-Pass. Wo immer wir anhalten, kommen aus dem Nichts die Fossilienverkäufer und bieten ihre Waren an. Kurz nach der Überquerung des 2260 m hohen Bergsattels biegt Mohamed auf eine steinige Piste ab. Diese führt zur Kasbah Telouet. Sie gehörte der reichen und mächtigen Familie von Si Thami Glaouni, Pascha von Marrakech und Sympathisant der französischen Protektoren. Bis zu seinem Tod 1955 lebten 1000 Menschen in dieser Lehmburg, die heute in einem sehr baufälligen Zustand ist. Die Regengüsse im Winter setzen dem Mauerwerk gewaltig zu und weil sie nicht bewohnt ist, werden die Schäden nicht regelmäßig ausgebessert. Prunkvoll ist der maurische Empfangssaal, von der Terrasse hat man eine herrliche Fernsicht. Mohamed lässt uns Zeit zum Fotografieren und wir treffen uns danach im Restaurant. Nach langen Hin und Her einigen wir uns und bestellen Pfefferminztee, Oliven und Brot. Wir genießen die Aussicht ins ergrünte Tal und die warme Sonne. Dann geht es weiter auf neuer Piste im Tal des Ounila Flusses nach Ait Ben Haddou. Dieses berühmte Dorf - bestehend aus sechs Kasbahs - diente als Karawanserei auf der Straße von Timbuktu nach Marrakech. Es wurde 1977 für die Erstellung des Films Jesus von Nazareth wieder aufgebaut und bis zum heutigen Tag ist es Filmkulisse für berühmte Filmproduktionen. Mohamed organisiert uns für 50 Dirham einen Führer, mit dem wir durch das trockene Flussbett, durch die bewohnte Lehmburg bis zu einem Aussichtspunkt hochsteigen. In einem nahegelegenen Hotel zeigt uns unser Fahrer die Strecke des morgigen Tages. Er möchte scheinbar gerne eine andere, noch weitere, Route fahren. Sie soll zeitmäßig genauso möglich sein und weil wir es nicht besser wissen, stimmen wir zu. Unser Übernachtungshotel liegt einige Kilometer zurück, die Kasbah Ellouze. Der Empfang durch die französische Hausleitung ist etwas kühl, das Wetter auch. Auf der Terrasse, von der man einen herrlichen Blick über die Mandelhaine hat, mögen wir gar nicht sitzen. Nach dem Abendessen, mit Suppe, einer sehr geschmackvollen Variante von Tajine und einer Süßspeise, setzen wir uns noch kurz in den Wintergarten. Unser Zimmer hat nicht ganz den Flair des Riads, wir finden es rückblickend doch recht gemütlich.
Zum Frühstück gibt es Kaffee aus großen Tonschüsseln, etwas verbranntes Brot und viele Pfannkuchen. Mit uns war in diesem Hotel eine weitere »Marokko- Erleben« Gruppe untergebracht. Alle brechen um 9 Uhr auf. Mohamed kommt aus Quarzazate in einem europäischen Outfit und schlüpft in seine Djellabah und wickelt seinen 10 Meter langen Turban. Es geht über Quarzazate in Richtung Dadestal. Kurz vor Skoura zeigt er uns die Kasbah Amerdihil, die auf dem 50 Dirham-Schein abgebildet ist und heute als Hotel genutzt wird. In der Palmenoase von Skoura lässt er uns ein bisschen Beine vertreten, wir sind uns sicher, er nutzt die Zeit zum Beten. Aus den 10 Minuten werden zwanzig, jeder von uns hat etwas anderes verstanden, aber umkehren kann auch ganz falsch sein. Als unsere Zweifel schon sehr groß sind, sehen wir ihn am Pistenrand. Zukünftig müssen wir genauere Abmachungen treffen. Jetzt heißt es Strecke machen, erst in Boumaine gibt es einen kurzen Stopp. In Tinerhir sehen wir den Jeep der anderen Reisegruppe. Sie haben ihr Tagesziel schon erreicht. Mohamed fährt mit uns in die Todra Schlucht. Es war sein Vorschlag, er ist gut gelaunt. Wir laufen zu Fuß durch den Canyon, er erwartet uns an dessen Ende. Um Otto einen Wunsch zu erfüllen, quert er mit dem Landcruiser den Fluss. Die Rückfahrt ist rasend, Mohameds Hunger scheinbar auch. In einem lauschigen Gartenrestaurant sind wir die einzigen Gäste und werden sehr gut verköstigt. Ohne weiter anzuhalten fahren wir, erst über einen Höhenzug, dann auf guter Straße bis N`kob unserem Übernachtungshotel. Die Kasbah Imdoukal ist spartanisch, wirkt etwas klösterlich. Erstmals verfügen wir über ein großes Bad, aber über kein Schloss an unserer Tür. Für das Abendessen dürfen wir wählen. Ich hatte mich sehr auf meinen Couscous gefreut, war aber enttäuscht.
Aufbruch um 9 Uhr, wir sind wieder pünktlich, heute fährt Mohamed ohne seine Berberklamotten. Im Draatal geht es den Flusslauf entlang auf einer Offroadpiste. Wir durchfahren Siedlungen und erklimmen Aussichtspunkte, wo wieder Dattelverkäufer aus dem Nichts auftauchen. Wir kommen an den Dattelplantagen vorbei, wo nur Frauen arbeiten. Zu Fuß laufen wir durch einen Ort, Viele wenden sich ab, weil sie keinesfalls fotografiert werden möchten. Toni zieht mit einer Schar Kinder durch das Dorf. Dass sie Bonbons verteilt, hat sich in Windeseile herumgesprochen und ihr „finis“ wird lange nicht respektiert. Ein besonders schönes, großes Haus erweckt unsere Aufmerksamkeit. Ein Mann geht aus dem Garten, öffnet die Tür und fragt uns ob wir das Haus besichtigen möchten. Es ist das Haus eines Politikers, sein Hausbetreuer sucht vielleicht eine neue Einnahmequelle. Wir lehnen ab. Am Ortsrand findet sich ein Brunnen und das Grabmal eines Marabout, eines heiligen Mannes. Am frühen Nachmittag sind wir schon im Hotel Souvage noble am Ortsanfang von Zagora. Mohamed ist in Zagora zu Hause und er besucht seine Familie. Nach einem sehr freundlichen Empfang, der Besitzer spricht deutsch, beziehen wir unsere Zimmer. Toni und Günther wohnen im Haupthaus, Otto und ich im Gartenhaus. In den Zimmern finden sich Djellabahs und Babuschen, das Haus ist resourcenschonend an eine biologische Kläranlage angeschlossen. Es darf kein Papier in die Toilette und die abendliche Dusche ist ein Tröpferlbad. Am späten Nachmittag machen wir einen Spaziergang durch die angrenzende Palmenoase. Soviel Grün in dieser Öde! Verfügt die Dattelpalme über ausreichend Wasser, beschert sie dem Bauern eine reiche Ernte. Meist muss er sich mit jedoch mit viel weniger zufrieden geben. In der Plantage werden die zweihäusigen Pflanzen im Verhältnis 8/2 gepflanzt. Um Geschlecht und Ertrag zu sichern, setzt man Schösslinge. Erst nach etlichen Jahren tragen sie Früchte. Zur Befruchtung werden männliche Samenstände in die Wipfel der weiblichen Palmen gesteckt, Arbeit in luftiger Höhe. Das Abendessen wird zeremoniert. Da wir die ersten Gäste sind, entscheiden wir uns für die Stühle zum Sitzen. Die orientalische Art mit den Kissen um einen niederen Tisch erscheint uns nicht so bequem. Erst reicht man uns warmes Wasser zum Händewaschen, danach gibt es Suppe (stets dieselbe, aber sie schmeckt immer wieder anders) Tajine aus Hühnchenfleisch mit Feigen und Walnüssen, Brot und als Nachspeise Fruchtsalat. Tee, Kaffee und Wasser sind, wie wir später feststellen, ein Geschenk des Hauses. Störend finden wir die fast ständige Anwesenheit des Hausherrn Abdellah Naji. Geboren als Nomade hat er in Marburg Anthropologie studiert und die Stiftung Renard Bleu gegründet. Er versucht mit seinen organisierten Reisen in die Wüste den Nomaden eine Existenz zu ermöglichen und unterstützt sie in Sachen Gesundheit und Bildung. Unser Fahrer kennt Naji von klein auf und urteilt abfällig: »viel Blablabla!«
Wir brechen wieder um 9 Uhr auf. Erste Station ist der Markt in Zagora, der die Einheimischen mit Lebensmitteln und dem sonstiges täglichen Bedarf versorgt. Außerdem sind heute die Bauern der Umgebung mit ihren Nutz- und Schlachttieren anwesend. Wir kaufen uns Orangen, Mohamed muss scheinbar auch für jemanden Waren mitnehmen, wie schon oft auf der Fahrt. Auch die 16 Briefmarken, die Günther braucht, besorgen wir hier in Zagora. Um nicht in der endlosen Schlange zu stehen, „beschleunigt“ Mohamed den Kauf mit 5 Dirham Schmiergeld. Dann noch das obligatorische Foto vor dem berühmten Bild mit der Reisezeitangabe bis Timbuktu und die Fahrt geht weiter bis Mhamid. Bei einer Tasse Kaffee warten wir, während Mohamed Wasser, Eier, Turbane und Sonstiges organisiert. Auf seinen Vorschlag hin, halten wir zur Mittagspause in einer Oase in der Wüste. Die Oliven schmecken nicht besonders und die Ziegen sind sehr aufdringlich. Wir schenken dem Hirten die Überbleibsel und ziehen rasch von dannen. Jetzt ist es nicht mehr weit, Mohamed zeigt uns die Schule und das Krankenhaus der Renard Bleu Stiftung. Nur ein Wächter ist hier anwesend. Im Zeltlager angekommen sind wir erst einmal enttäuscht - kein Willkommen, kein Tee - man weist uns die Lehmhütten zu - Berberzelte hätten uns besser gefallen - und wir sollen auf die Kamele warten. Die sollten um 16 Uhr kommen, aber da ist noch lange nichts in Sicht. So reiten wir erst los, als es schon duster wird. Aber es reicht, so ein Kamelrücken ist schließlich kein Diwan und die Sonne hat sich ohnehin hinter den Wolken verzogen. Mohamed lacht, als wir ihm erklären, dass so ein Himmel in Deutschland Regen verheißt! Nach dem Abendessen fangen die Gastgeber zu singen und zu trommeln an. Am Lagerfeuer versuchen wir ins Gespräch zu kommen, mit der Frau aus Vancouver, den drei Franzosen und den Einheimischen, von denen Ali sogar einige deutsche »Schlagwörter« beherrscht. Gerade diese veranlassen Otto bald das Bett aufzusuchen. Kein Sternenhimmel überspannt das Camp.
Die Nacht war ein Fiasko! So harte Matratzen und Kissen habe ich vermutlich noch nie belegen. Um 8 Uhr frühstücken wir und fahren danach los. Anstatt der Lebensmittel, die wir auf der Herfahrt transportierten, nehmen wir jetzt zwei Campmitarbeiter mit. Für die ist es da hinten ganz schön eng. Aber besser schlecht gefahren als gut gelaufen! Die fast zwei Stunden Sahara bis Mhamid sind heute längst nicht mehr so spektakulär. Nach einer Tasse Kaffee und Toilettenbesuch (!!!) geht es weiter bis Tamegroute. Dort besichtigen wir eine Weberei, eine Töpferkooperative und eine Bibliothek. Die Gelegenheit, Souvenirs zu erwerben, ist für uns eher eine Verpflichtung. Zuhause, als sich die in finsteren Verkaufsräumen gekauften Schüsseln auch noch als schadhaft erweisen, verbuchen wir das Ganze als Spende für Menschen, denen es nicht so gut geht. Die wertvollen, handgeschriebenen Bücher und Pergamentrollen der Bibliothek sind in einer Zaounia untergebracht. Das ist eine Art Koranschule, deshalb die vielen Koranmanuskripte auf Gazellenhaut, aber auch eine Art Kloster mit dem Grabmal des Gründers der Bruderschaft. Am Abend treffen wir in Agdz ein, in der Kasbah Azul sind unsere Zimmer reserviert. Geschmackvolle Zimmer mit großen Tadelaktbädern, wo wir uns sogar zu zweit bewegen können. Das Haus ist liebevoll dekoriert und ein Garten mit Palmen, Granatapfelbäumen, Mispeln und Orangenbäumen. Hier trinken wir unseren Kaffee und lesen. Als es kühler wird, ziehen wir in einen Aufenthaltsraum um. Dort ist der Kamin angeheizt und wird später das Abendessen serviert. Der Salat marrocaine ist mit Koriander gewürzt, zum Bedauern der Herren, aber Fleisch und Nachspeise schmecken hervorragend. Nach drei Tagen Abstinenz ordert Günther eine Flasche Wein für uns. Wir sind uns einig, das beste Haus auf unserer Rundreise!
Wir haben sehr gut geschlafen. Die Rückreise nach Marrakech nimmt wohl einige Zeit in Anspruch, weshalb uns Mohamed um einen Start schon gegen acht Uhr gebeten hat. Somit haben wir unser Frühstück für 7.30 Uhr bestellt. Aber da ist im Haus noch alles still und finster. Otto entriegelt die Türen und macht Licht. Irgendjemand müsste doch aufmerksam werden. Die eingelassene Katze miaut kläglich und gut 20 Minuten später beginnt die Hausdame mit den Frühstücksvorbereitungen. Deshalb sind wir auch nicht fertig, als Mohamed uns abholt. Auch scheint uns die Getränkerechnung etwas hoch, doch wir nehmen uns keine Zeit zu genaueren Kontrolle. In der Nacht hat es geregnet. Die Stopps auf der Strecke nach Quarzazate fallen kurz aus. Ohne Sonne ist die Landschaft nicht so fotogen. Otto tauscht nach langem Zureden seine Sandalen gegen Halbschuhe und alle ziehen Jacken über. In Quarzazate besuchen wir einen Freund Mohameds, der uns Teppiche, Schmuck und Antiquares verkaufen möchte. Hier finde ich eine richtig schöne Halskette. Für die Kasbah Taourite und das gegenüberliegende Filmmuseum haben wir insgesamt eine Stunde Zeit. Letzteres ist schon geschlossen und vermutlich hätte das Zeitfenster gar nicht gereicht. Mittlerweile ist der Regen recht heftig, das Warten auf Mohamed verlegen wir in ein Cafe. Kein Bedauern seinerseits! Im Gewürzladen - vielleicht wieder ein Bekannter - sind wir schnell fertig, jetzt reicht es! Dann auf der Strecke zum Tizi-n- Tichka-Pass der Anruf eines Kollegen, »the road is closed!«. Heftiger Schneefall hat die Straße wohl unpassierbar gemacht. Mohamed will sich mit seinen Kollegen beraten, welche ebenfalls auf dem Rückweg sind, und eine Entscheidung treffen. Letztlich können wir allerdings den geräumten Pass dann doch befahren, mit etlicher Behinderung und etwas Zeitverlust. Letzteren will Mohamed ausgleichen, indem er wie ein Henker.fährt. Trotzdem gibt es einen Halt an der Raststätte, die wir auf der Herfahrt schon besucht haben. Alle frieren, am erbärmlichsten die Toilettenfrau. Nebenan ist eine Arganölkooperative und Mohamed muss was besorgen. Auf der restlichen Fahrt sind alle still. Günther, wie immer vorne sitzend, fragt in den Wagenfond, ob wir schon schlafen. In Marrakech ist der Abschied kurz und hektisch. Mohamed ordert einen Kofferwagenfahrer, den er beauftragt, uns ins Riad Les 2 Portes zu bringen und weg ist er. Der Weg ist uns ein langes Stück bekannt. Phillipe öffnet uns die Tür und schimpft mit dem Koffertransporteur, der mit seiner Entlohnung nicht zufrieden ist. Als sich die Türe des Riad schließt, umgibt uns eine andere Welt. Staub, Lärm und Hektik bleiben draußen, es ist gemütlich, schön und ruhig, ein ganz besonderes Erlebnis. Wir bestaunen den eleganten Innenhof, beziehen unsere Zimmer und trinken auf der Dachterrasse Pfefferminztee. Da wir noch Geld benötigen, machen wir uns im Regen auf den Weg zur Bank unseres Vertrauens, widerstehen den sinnvollen Angeboten der Paraplü-Verkäufer und verziehen uns in ein Restaurant am Jema al Fnaa-Platz. Jeder sucht sich etwas in der Speisekarte, die uns nach der Woche längst nicht mehr so exotisch vorkommt. Heute darf es auch noch eine Nachspeise sein. Danach heißt es schnellen Schrittes ins Riad, um nicht völlig durchnässt zu werden.
In der Nacht hat das Trommeln des Regens aufgehört, ich verschaffe mir Gewissheit auf der Dachterrasse. Die Sonne scheint, nur ein paar weiße Wolken stehen am Himmel. Beim Frühstück im Esszimmer unterhalten wir uns lange mir einer neu angekommenen Schwedin. Sie ist zu einer Geburtstagsfeier nach Marrakech eingeladen, zusammen mit weiteren 150 Gästen. Für 10 Uhr sind wir mit Hassan verabredet. Er zeigt uns einige Sehenswürdigkeiten der Stadt und das macht er ohne viele Jahreszahlen und Geschichte richtig gut. Wir gehen von der Rue Dabachi durch die Geschäftsstraßen zum Bahia Palast. Bahia, so hieß eine der Frauen des Großwesirs, der diese reich geschmückten Gebäude errichten ließ. Die Innenhöfe sind begrünt. Im angrenzenden Judenviertel, der Mellah, gibt es viele Gold- und Silberwaren. Nur hier haben die Häuser Fensteröffnungen zur Gasse. Jedes Stadtviertel besitzt eine Moschee, einen Hamam und ein Backhaus. Brot wird heute noch in den Familien vorbereitet und dann zum Bäcker getragen. Meist gibt es auch einen Souk mit dem speziellen Warenangebot. Der El- Badi-Palast, vom Saadiersultan Ahmed El Mansour im 16.Jahrhundert erbaut, soll einmal die größte und schönste Palastanlage des Mahgreb gewesen sein. Um 1700 wurde alles Wertvolle von Moulay Ismail nach Meknes verbracht, zur Ausschmückung des dortigen Palastes. Die Ruinen, an denen man fleißig renoviert, gehören heute den Störchen. Moulay Ismail hat auch die Nekropole der Saadier mit einer hohen Mauer umschlossen, um alle Erinnerungen auszulöschen. Erst 1917 wurden die Gräber wiederentdeckt. Die Anlage besteht aus zwei Mausoleen mit prachtvollen Stuck, Mosaik- und Zedernholzschmuck. Sieben Sultane, darunter Ahmed El Mansour, und 62 Angehörige sind hier bestattet. Im Freien liegen noch etwa 100 Gräber von Bediensteten. Durch das Bab Agnaou, eins der Tore in der neun Kilometer langen Stadtmauer gehen wir Richtung Gauklerplatz zum Mittagessen. Es ist doppelt so teuer wie gestern Abend und mindestens genauso touristisch. Günther und ich probieren heute Pastilla. Das sind hauchdünne, mit Puderzucker bestäubte aufgeschichtete Blätterteigfladen mit einer raffinierten Füllung aus Mandeln, Eiern, Fleisch und Zwiebeln, gewürzt mit Zimt, Pfeffer und Safran. Mag sich für unseren Geschmack seltsam anhören, sie haben jedenfalls hervorragend geschmeckt. Nun hat es wieder angefangen zu regnen. In den Souks laufen wir zwar weitgehend unter Dach. Dennoch werden die Pfützen immer mehr, das Pflaster immer dreckiger und von den Blechdächern kommt es manchmal gesammelt nass. Außerdem ist es kalt - den Spruch des Urlaubs hat Toni schon am zweiten Tag gebracht: „In Alaska haben wir geschwitzt, in Marokko frieren wir“! Also gehen wir in den Hamam, gebucht im Luxusriad La Sultana. Nach der obligatorischen Seifen- und Wasserbehandlung dürfen wir auf den vier vorhandenen Liegen ruhen, aber nicht lange. Neue Gäste kommen und keiner kümmert sich weiter um uns. Eine Frage klärt alles, unsere Behandlung ist zu Ende. Das war aber kurz. Wir ziehen von dannen (mit nassen Haaren), drehen noch eine Runde über den berühmten Platz, der früher als Richtstätte diente. Bei Einfall der Dämmerung wird er zur gigantischen Volksküche, zahlreiche Stände werben reißerisch um Kundschaft. Mit all den Schlangenbeschwörern, Tänzern, Märchenerzählern, Musikanten und Affendresseuren ein riesiges Freiluftspektakel für Einheimische und Touristen. Unser letztes Abendessen haben wir im Riad vorbestellt. Phillipe will uns etwas typisch Marrokanisches kochen. Zartes Rindfleisch, ewig lange gegart, dazu Nudeln, weil Otto kein Couscous mag. Vorher soll es Salat marrocaine geben und als Dessert einen Fruchtsalat, und bitte, bitte nicht mit Koriander würzen! Freunde von Phillipe leisten uns Gesellschaft.
Zum Frühstück, wieder auf der Dachterrasse, gesellt sich ein Paar vom Ammersee. Auch sie hatten über »Marokko-Erleben« gebucht und reisen wie wir heute nach Hause. Wir räumen die Zimmer und begleichen die Rechnung in Dirham und Euro. Nahezu liquiditätslos ziehen wir dann durch die Souks. Wir können nichts mehr kaufen, bei diesen echt schönen Lampen, Laternen, Stoffen, Babuschen und Töpferwaren. Die Händler sind nicht reißerisch und aufdringlich. Um 12.30 Uhr bringt uns ein Taxi zum Flughafen, die allerletzten Dirham werden als Bakschisch verteilt. Die Maschine nach Madrid hebt mit so viel Verspätung ab, dass wir um den Anschlussflug nach München bangen. Auf Ottos Initiative ermöglicht man uns ein vorrangiges Aussteigen, wir rasen durch den Flughafen um dann am Gate auf den erneut verspäteten Weiterflug zu warten. Toni telefoniert mit Andreas, er wähnt seine Eltern bereits auf der Heimfahrt vom Münchner Flughafen. Auch dieser lange Reisetag hat letztlich ein Ende, für uns kurz nach Mitternacht, für Toni und Günther knapp 2 Stunden später.
© copyright Otto Kinateder