Nach dem Mittagessen holen wir das Womo aus der Halle. Otto montiert die Fahrräder, Rosi räumt ein. Schnell Duschen, Abfahrt. Rund um München geht's etwas zäh vorwärts, ab der Bodenseeautobahn ist alles im grünen Bereich. Rosi merkt an, wie frisch die sauber gemähten Fahrbahnränder sind. Kein Vergleich zu unserer Steppe zuhause. Vermutlich hat das Allgäu mehr Wasser abgekriegt. Kurz vor Biberach bekommen wir eine Kostprobe. Die Scheibenwischer mühen sich in der schnellsten Stufe. Der Straßenrand verschwindet in der Gischt. In der oberschwäbischen Stadt hat der Spuk ein Ende. Der Stellplatz hat zum Glück festen Untergrund. Er ist von einfacher Ausstattung mit Ver- und Entsorgung, sauber, zentrumsnah und mit 8 Euro ausgesprochen günstig. Otto holt schnell Gebäck beim Bäcker und muss dort bei einer Zwangstasse Kaffee einen erneuten Schauer abwarten. Am Abend bummeln wir bei leichtem Regen durch das leere Zentrum. Im Innenhof des Museums werden Getränke und "Dinnede" verkauft. Die kartoffelbelegten Holzofenfladenbrote müssen natürlich probiert werden. Der Wetterbericht für morgen verspricht leichte Besserung.
Sieben Uhr morgens. Der Regen prasselt mit einer Intensität auf unser Blechdach, dass sogar Otto wach wird. Zum Glück ist der Wolkenbruch von kurzer Dauer. Beim Holen der Frühstückssemmeln sticht bereits die Sonne vom Himmel. Sommerlich gekleidet beginnen wir unsere Stadterkundung in der Touristeninfo im Rathaus. Ein junger Papa vor uns kauft für seinem Sprössling Gummibärchen. Nanu, seltsame Verkaufsstelle für Süßes! Die freundliche Tourismusbeauftrage klärt uns auf: "das sind keine Gummibärchen, sondern Jakob-Fischer-Apfel-Fruchtgummis. Sie werden aus sortenreinem Jakob-Fischer-Apfelsaft von oberschwäbischen Streuobstwiesen hergestellt". Aha - da muss natürlich eine Packung mit. Zusätzlich erhalten wir einen Stadtplan mit Empfehlungen und diverses sonstiges Infomaterial. Den Mittelpunkt bildet der im 12. Jh. entstandene Marktplatz, der als einer der schönsten Süddeutschlands gilt. Hier ist gerade Markt. Massen von Kunden begutachten die Waren, kaufen ein und halten ein Schwätzchen. Wir lassen uns mittreiben. Am Weißen Turm vorbei gehen wir hoch zum Gigelberg. Die erwartete Aussicht wird durch dichtes Blätterwerk stark beeinträchtigt. Wieder unten in der Altstadt warten diverse historische Gebäude auf uns: Ochsenhauser Hof, Stadtpfarrkirche St. Martin, der Weberberg, die Schranne. Hier unterhält eine Brassband uns und viele andere Zuhörer. Unsere heißen Sohlen brauchen jetzt dringend eine Pause und die hungrigen Mägen eine Stärkung. Danach frisch weiter zu Wielands Wohnstätte am Park und zu seiner Arbeitsstätte, dem Komödienhaus. Am Ende besuchen wir noch ausgiebig das lohnenswerte Museum Biberach. Besonders die Sonderausstellung mit der Aufarbeitung der Entwicklung des Nationalsozialismus in Oberschwaben ist sehr interessant. Den lauschigen Abend beschließen wir mit einem kurzen Bummel stadtauswärts an der Riss entlang. Die jahrhundertealte schwäbische Stadt ist wirklich sehr schön.
Ein weiterer Sonn(en)tag. Otto wählt für den Tagestrip nach Ochsenhausen kurze Hose und T-Shirt. Fünf Kilometer nördlich von Biberach, in Warthausen, ist die Endstation der Öchsle-Bahn. Eine alte Dampflokomotive zieht historische Waggons jeden Sonntag nach Ochsenhausen und zurück. Fahrräder werden kostenlos transportiert. Wir lösen nur Fahrkarten für die einfache Fahrt, weil wir uns die Barockstadt anschauen und die 25 km retour unter die eigenen Räder nehmen wollen. Die gut einstündige Bahnfahrt ist kurzweilig, nicht zuletzt wegen der Mitreisenden. Es gibt drinnen wie draußen immer was zu schauen. Mittags kommen wir an. Gleich neben dem Bahnhof demonstrieren betagte Damen im Waschfrauenmuseum die Textilreinigung vergangener Zeiten. Was es nicht alles gibt! Wir radeln hoch zum berühmten Kloster. Vor der Andacht kümmern wir uns zunächst um unser leibliches Wohl. Die große Klosteranlage bleibt uns zum größten Teil verschlossen. Aber die Kirche ist offen. Ein Deckengemälde zeugt von der Spaltung der christlichen Kirche: ein (katholischer) Engel schleudert einen Blitz auf einen (lutherischen) Bösewicht. Ein Organist spielt auf der berühmten Gabler-Orgel. Das Instrument mit 47 Stimmen und 4 Manualen war das Erstlingswerk des Schreiners und Orgelbauers vor über 300 Jahren. Der gut beschilderte Radweg zurück führt häufig neben den Gleisen. Aber nicht immer. Und dann wird's meistens ziemlich hügelig. Dank Motorunterstützung kommen wir entspannt zum Womo zurück. Kaffeepause und Lesen sind angesagt. Ein abendlicher Stadtbummel beschließt einen weiteren schönen sonnigen Tag.
Aus den Radtourentipps der Stadt Biberach basteln wir uns eine kombinierte eigene. Dank Komoot lässt sich das gut bewerkstelligen. Die Strecke ist zunächst geteert und führt durch das malerische Wolfental. Dann müssen wir in einen gesperrten Forstweg abbiegen. Und gleich darauf blockiert ein umgestürzter Baum das Vorwärtskommen. Auf einem Trampelpfad können wir das Hindernis umgehen. Nur wenige Meter weiter wiederholt sich das Ganze. Bei einem Wegkreuz machen wir kurz Pause. Etwas unterhalb sehen wir schon das Dorf Steinhausen. Es beherbergt die "schönste Dorfkirche der Welt". Sie ist tatsächlich ein Rokoko-Juwel und wurde wie die Wieskirche von den Brüdern Zimmermann geschaffen. Die Wallfahrtskirche Unserer Lieben Frau und zugleich Pfarrkirche St. Peter und Paul liegt am Jakobsweg und ist nach wie vor eine Pilgerstation. Am Freitag vor Palmsonntag feiern hier hunderte Wallfahrer einen Festgottesdienst. Wir bewundern die Ausstattung gebührend und rasten anschließend auf dem schönen Dorfplatz neben der Alten Schule. Otto hätte gerne im Gasthaus zur Linde oder im Café Schmid Pause gemacht, genauso wie viele andere Biker. Ruhetag. Auch andere Lokale auf der Rundstrecke haben heute geschlossen. Wir greifen auf unsere vorsorglich mitgebrachten Brote zurück. Auf dem Rückweg nach Biberach werden wir auf einigen Kilometern Schotterpiste ein wenig durchgerüttelt. Insgesamt hat die zusammengestellte Radtour viel Spaß gemacht. Am Abend möchte Rosi gerne Pizza essen. Daraus wird leider nichts, weil auch alle Italiener heute keine Lust haben zu kochen. Wir bummeln einmal mehr durch die Altstadtgassen und schlecken wenigstens italienisches Eis. Morgen soll's bis zu 30 Liter Regen geben.
Der angekündigte Niederschlag hat in der Nacht eingesetzt, zum Glück weniger schlimm als befürchtet. Wir rüsten unser Womo trockenen Fußes, um im Hymer Museum in Bad Waldsee den kommenden Regengüssen zu entgehen. Der Wohnmobilpionier hat dort Raritäten und Kostbarkeiten aus der Zeit des Anfangs der mobilen Campingfahrzeuge zusammengetragen und ihre Geschichte anschaulich dokumentiert. Es handelt sich beileibe nicht um eine Hymer-Schau. So gab es in den 50er Jahren beispielsweise von der italienischen Nobelmarke Laika einen Miniwohnwagen, der von einem 18 PS starken Fiat 500 in Schlepptau genommen werden konnte. Auch die Gattung Faltcaravan kommt nicht zu kurz, ebenso wenig diverse Eigenbauten der damaligen DDR. Der Zeitgeist der 60er bis 80er Jahre spiegelt sich in der dunklen Innenausstattung jener Generation wider. Heute möchte wohl niemand mehr in derart finsteren Kästen reisen. Nach vier Stunden haben wir genug gesehen und fahren zum überaus gepflegten Stellplatz nahe der Therme. Zum Kaffeetrinken fährt Otto die Markise aus, weil die Sonne gar unbarmherzig vom Himmel sticht. Darüber ist sie anscheinend beleidigt. Im nächsten Augenblick schickt sie uns einen Regenguss. Trotzdem sind wir rundum zufrieden, weil das Wetter weitaus besser ist, als noch gestern erwartet. Daran ändert auch ein weiterer kräftiger Schauer nichts, der unseren Abendspaziergang in der Stadt jäh beendet.
Der Tag beginnt, wie der gestrige geendet hat: nass! Das kann Otto aber nicht davon abhalten, Frühstückssemmeln zu holen. Mit Schirm und Regenjacke bewaffnet gar kein Problem. Den Wetterkapriolen entgeht er anschließend in der Verkaufsausstellung des Hymer-Centers, wo er ausgiebig Womos und Caravans begutachtet. Unglaublich, wie teuer die in den letzten Jahren geworden sind. Rosi verbringt die Zeit mit Lesen und Sudoku. Mittags, es ist inzwischen sonnig und warm, starten wir gemeinsam eine Tour durch die Altstadt. Die Zahl der Sehenswürdigkeiten ist überschaubar. Das Spital diente mehrere Jahrhunderte der Versorgung von Kranken und Armen. Im Rathaus wurden allein im Jahr 1586, zur Zeit des größten Hexenwahns, 17 Frauen vom Stadtgericht zum Tode verurteilt und als Hexen verbrannt. Die über Eck angeordneten Türme der Stadtpfarrkirche haben Seltenheitswert. Wir umrunden den Stadtsee und genehmigen uns auf der Terrasse des Eiscafés Fontana einen großen Eisbecher. Über kurvenreiche und unglaublich schmale Straßen lotst uns das Navi nach Legau in Bayern. Hier betreibt die Familie Heckelsmüller einen Wohnmobilstellplatz. Die Zufahrt an einem verfallenen Gebäude vorbei ist abenteuerlich. Man zweifelt, ob man hier richtig ist. Dann öffnet sich eine große saftig grüne Wiese. Darauf Wohnmobile in willkürlicher Anordnung. Es gibt keine Parzellen, jeder stellt sich, wie er möchte, bzw. die Belegung es zulässt. Dusche und WCs sind aus rohem Holz gezimmert. Anfangs etwas gewöhnungsbedürftig, fühlen wir uns bald heimisch. Dazu trägt natürlich auch das schöne Wetter bei. Am Abend angeln wir uns einen bereitgestellten Feuerkorb nebst Feuerholz und genießen eine stimmungsvolle Zeit bei einem Glas Wein.
Rosi hatte eine furchtbare Nacht: zwischen 23 Uhr und 1 Uhr prasselnder Regen. Anschließend hat Otto laut gesägt. Der hat von alledem natürlich nichts mitbekommen. Er verlässt das Bett und geht gutgelaunt duschen. Als er zurückkommt hat Rosi Frühstück gemacht. Wir sitzen draußen und freuen uns über das erneut schöne Wetter. Am späten Vormittag werden die Räder gesattelt. Otto hat eine Tour zur Hängebrücke über die Iller nach Illertissen vorbereitet. Von dort weiter nach Maria Steinbach und zurück. Zunächst haben wir kräftigen Rückenwind. An der Hängebrücke lohnt sich ein Fotostopp. Der Anstieg auf der anderen Uferseite mit 18% (!) ist selbst mit Motorunterstützung zu heftig. Kurz darauf ist nach einer sehr angenehmen Etappe Illerbeuren erreicht. Es ist Zeit für eine Mittagspause. Laut Google hat nur das Rössle in Lautrach nicht geschlossen. Der Umweg lohnt sich nicht. Der schöne Biergarten öffnet erst ab 17 Uhr. Also mit leerem Magen zur Wallfahrtskirche Maria Steinbach. Unterwegs informiert uns ein hilfsbereiter Straßenarbeiter, dass der direkte Weg wegen Bauarbeiten komplett gesperrt ist. Wir müssen über Legau zur Kirche fahren. Dann sind wir zwar fast am Womo zurück, dafür können wir aber im Ort eine Kleinigkeit essen. Offene Gasthöfe erneut Fehlanzeige! In der Bäckerei eines Lebensmittelgeschäfts werden wir letztlich auch satt. Jetzt aber auf zur letzten Etappe. Und die lohnt sich! Die prächtige spätbarocke Kloster- und Wallfahrtskirche Maria Steinbach braucht sich hinter der "schönsten Dorfkirche der Welt" nicht zu verstecken. Auch ihr Innenraum ist reich mit Fresken geschmückt. Bemerkenswert sind die geschwungenen Emporen, deren Balkone sich in den Raum wölben. Ein Kirchenführer verrät als nette Besonderheit zwei Putten am Marienalter: einen "Trotz"- und einen "Plärrengel". Am späten Nachmittag sitzen wir wieder in der Sonne vorm Womo. Und am Abend gibt's erneut Feuerzauber.
Der letzte Tag unserer Tour. Wir verlassen Legau und parken am Schwäbischen Bauernhofmuseum in Illerbeuren. Historische Häuser und Höfe aus Schwaben sind hier wieder aufgebaut worden. Handwerksstätten und frühe technische Bauten ergänzen das Dorf. In einer Landmaschinenausstellung werden Traktoren und Maschinen zur Ackerbearbeitung, sowie weitere technische Hilfsmittel ausgestellt. Wir spazieren über das weitläufige Gelände und tauchen ein in eine frühere Zeit. Diverse Stationen erinnern auch an die eigene Kindheit. Die Bedienung in der Torfwirtschaft ist wegen des Mittag-Ansturms etwas überfordert. Nur dem neuesten Teil, dem Haus der Schützenkultur, können wir nichts abgewinnen. Mit einem Stück Apfelweintorte im Magen machen wir uns auf den Heimweg. Wir haben schöne Tage in Oberschwaben verbracht und sie sehr genossen.