Hintergrund

NORWEGEN HURTIGRUTEN
Zwischen Meer und Schneegebirge

19. bis 27. März 2008

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Unserer Reise mit einem Hurtigruten-Schiff entlang der norwegischen Küste war eine lange Entscheidungsphase vorausgegangen. Rosi - für Schiffefahren immer zu begeistern - konnte sich gut vorstellen, tagelang die vorbeiziehende Landschaft zu betrachten. Otto hingegen fürchtete die Langeweile. Allerdings hätte er gerne einmal ein Polarlicht gesehen, so ergab sich der Kompromiss: Hurtigruten im Winter!


Deshalb klingelt am 19. März kurz vor 6 Uhr der Wecker, aufstehen um in Urlaub zu fahren! Noch ein karges Frühstück, danach fahren wir über Eching, wo wir Eva und Mattias mitnehmen, zum Flughafen. Die beiden stellen unser Auto bei sich ab, so haben wir bei unserer Rückkehr einen S-Bahnanschluss ohne Parkgebühren. Beim Security-Check fällt wieder einmal Ottos Fotorucksack auf, aber das kennen wir mittlerweile. Pünktlich um 9 Uhr hebt die Maschine gen Oslo ab. Dort, zur Einreise in Norwegen, holen wir unser Gepäck vom Band, um es durch den Zoll zu tragen und wieder aufzugeben. Diesmal verursacht in Ottos Gepäck nur der Kameraschwenkmotor geringe Aufregung, dafür muss Rosi den gesamten Rucksack entleeren. In der Wartezeit am Gate erfahren wir von einem mitreisenden Rumänen, der in Norwegen in der Aluminiumherstellung arbeitet, Interessantes über unser Gastland. Nicht nur seine Kenntnisse faszinieren, er reist bereits kurzärmelig in den Norden. Nach dem Abheben in Oslo überfliegen wir die Hardangervidda. Schneebedeckte Berge, und ganz selten geben die Wolken einen Blick auf einen Fjord frei. Bei der Landung in Bergen geht ein Schneeschauer aus tief hängenden Wolken nieder! Ein guter Anfang! Auf unser Gepäck wartend lernen wir Birgitta und Manfred kennen, die mit uns nun per Shuttlebus zum Hurtigrutenkai wollen. Wir können dort zwar sofort einchecken und damit unser Gepäck loswerden, die Kabinen sind aber erst abends bezugsfertig. Nachdem mittlerweile die Sonne wieder scheint, wollen wir ohnehin etwas von der alten Hansestadt sehen. Mit Birgitta und Manfred laufen wir über eine kleine Anhöhe auf die weltbekannten Handelshäuser zu. Es ist kalt, aber sonnig und laut unserem Reiseführer sollte Lotto spielen, wer Bergen bei Sonne erlebt. An einem Stand probieren wir die ersten Garnelen. Otto lässt sich nicht zu einem Ausflug auf den Fløyen, den Aussichtsberg, überreden. Dafür entdeckt er in den historischen Häusern eine kleine Bäckerei. Wir erstehen, in Erinnerung an unsere Norwegenreise 1999, vier süße Gebäckstücke 'to go'. Sie schmecken so gut, wir möchten davon mehr und es ist so gemütlich warm, also genehmigen wir uns drinnen auch noch eine Tasse Kaffee. Die Marienkirche, in der bis ins 19. Jahrhundert Gottesdienste in deutscher Sprache abgehalten wurden, das älteste erhaltene Gebäude der Stadt, ist verschlossen. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen, in Norwegen wird über die beginnenden Osterfeiertage sehr vieles geschlossen sein. Gemächlich schlendern wir zurück zum Kai und dürfen an Bord der MS Midnatsol gehen. Wir besorgen uns die Cruise-Card, sie ist unser Zahlungsmittel an Bord. Das pauschale Weinangebot, zu jedem Abendessen eine Flasche pro Kabine, für mehr als 200 Euro schlagen wir aus, entscheiden uns nur für 'Wasser-Flatrate', die erst mal für 20 Euro zu haben ist. Man kann auch einen Thermobecher erstehen und während der ganzen Reise Kaffee oder Tee gratis trinken, ein bisschen 'Trinkhallenflair'. Schnell beziehen wir die Kabine 467, die weit schöner ist als auf unseren bisherigen Schiffsreisen und packen die Taschen aus. Schon um 18.30 Uhr finden wir uns zum Dinner ein, heute in Büffetform. Es gibt eine große Auswahl an Meeresfrüchten, aber auch reichlich Fleisch und Gemüse. Wir essen Hummer und probieren Rentiergulasch - schmeckt alles sehr lecker. Das Nachspeisenbüffet erfüllt uns mit Sorge. Passen wir beim Rückflug noch in unsere Sitze? Unsere Tischnachbarn an den uns zugeteilten Plätzen kommen aus Coburg. Sie befinden sich auf Hochzeitsreise und sind etwas deprimiert, weil ihre Koffer nicht angekommen sind. Nach einer kurzen Informationsveranstaltung gehen wir an Deck und erleben das 'Leinen-Los' in Bergen. Die Lichter der Stadt begleiten uns in die Nacht!


Donnerstag, 20. März

Als wir um etwa 7 Uhr erwachen, liegen wir im Hafen von Måløy, Florø haben wir verschlafen. Rosi muss schnell an Deck, Gegend bewundern, weil sie sonst das Gefühl hat, etwas zu verpassen. Bei einem langen gemütlichen Frühstück kommt Urlaubsstimmung auf. Wir bummeln durch das Schiff, bleiben kurz in der Panorama-Lounge sitzen. Otto kommt es vor wie ein zweigeschossiger Kinosaal. Viele Gäste verbringen hier Stunden, sich lediglich für einige Fotos erhebend. Weiter stampft die Midnatsol nach Norden, nimmt Kurs über die offene Strecke Stadhavet, wo die Nordsee endet und ohne erkennbare Grenze ins europäische Nordmeer übergeht. Die bei den Seeleuten früher gefürchtete Passage erleben wir ganz ruhig. Wir legen kurz in Torvik an, durchquerenden Breisund und kommen zur Mittagszeit in Ålesund an. Tief hängen die Wolken, als wir das Schiffverlassen, und es schneit ziemlich nass. Über die 418 Stufen besteigen wir den Hausberg Askla. Von oben haben wir einen guten Ausblick auf die 'Jugendstilperle'. Eine Feuersbrunst zerstörte im Januar 1904 nahezu den gesamten Stadtkern, machte zehntausend Menschen obdachlos. Schnelle Hilfe kam aus Deutschland, Kaiser Wilhelm II war ein Norwegen-Enthusiast, und die neuen Häuser wurden zeitgemäß im Jugendstil errichtet. Auf unserem Bummel durch die menschenleere Stadt treffen wir wieder auf Birgitta und Manfred und machen gemeinsam die Erfahrung, dass alle Läden, Cafes und Restaurants geschlossen sind. Die Einwohner scheinen auf der Flucht vor der Hurtigruten-Invasion oder in Osterurlaub zu sein. Demnach müssen wir zum Kaffeetrinken in unser schwimmendes Hotel zurück. Ein bisschen Lesen, ein kurzer Spaziergang durch Molde, dann folgt das Abendessen, heute als Menu. Es gibt Suppe, einen kleinen Hauptgang und als Dessert ein Nusseckchen mit einer halben Erdbeere, zwei Blaubeeren und einer Kugel Sorbet. Für nichts-tuende Urlauber ausreichend und trotzdem enttäuschend. Alle acht Personen an unserem Tisch haben restlos aufgegessen, morgen gibt es bestimmt das schönste Wetter! Die Livemusik in der Bar ist uns zu laut, so setzen wir uns nach nebenan und reden über unseren Norwegenurlaub vor neun Jahren. Bei einer Stippvisite am Oberdeck zeigt sich der Himmel sternenklar. Also warten wir auf den Weckruf für Polarlicht, während wir schlafend gen Kristiansund fahren.


Freitag, 21. März

Wir schlafen noch, als die Midnatsol gegen 6 Uhr Trondheim erreicht. Nach einem ausgiebigen, gemütlichen Frühstück brechen wir zwei zu unserer individuellen Stadtbesichtigung auf. Da die Schiffe der Hurtigruten jeweils im Zentrum oder sehr zentrumsnah anlegen, kann man, ausgestattet mit Stadtplan oder Reiseführer, gut sein eigenes Programm machen. Andere greifen auf die angebotenen Stadtrundfahrten zurück, die meist auch an die Peripherie gehen und recht informativ sind. Die Sonne spitzt durch eine sich mehr und mehr auflösende Wolkenschicht. Wir überqueren die Bakkebru, weil man vom anderen Ufer des Nidelvs die alten Speicherhäuser besser sehen und ablichten kann. Recht idyllisch läuft es sich zwischen den alten Holzhäusern in Nedre Bakklandet. Alle Antiquitäten- und Souvenirläden sind geschlossen, keine Menschenseele unterwegs, lediglich ein Restaurant scheint sich für den Tag zu rüsten. Heute ist ja Karfreitag, also Feiertag! Steil geht es dann zur Festung Kristiansten hoch, Radfahrern hilft im unteren Abschnitt ein kurioser Fahrradlift. Von oben hat man einen wunderschönen Panoramablick über die drittgrößte Stadt des Landes und die schneebedeckten Berge im Hintergrund. Der Weg abwärts gestaltet sich durch flächig vereiste Stellen etwas mühsam. Über die hölzerne Gamle Bybrua nähern wir uns dem Nidarosdom. Erst 1869 begann man den seit der Reformation fast zur Ruine verfallenen Sakralbau zu restaurieren. Gustav Vigeland hat sich hier jahrelang engagiert und 1930 wurde er eingeweiht. Im Innern der Krönungskirche sind zehn Könige, die meisten Erzbischöfe und wahrscheinlich auch die Gebeine des hl. Olav, des Stadtbegründers beigesetzt. Wir bewundern das reich skulptierte, gotische Hauptportal, laufen durch den Hof des erzbischöflichen Palais. Beim Verlassen des Areals fallen uns Menschen auf, die das Gotteshaus besuchen und wir stellen fest, dass wir noch ein bisschen Zeit haben vor einem Gottesdienst das Innere zu sehen. Wir freuen uns darüber, hatten wir doch die Information, dass nur die Teilnehmer der offiziellen Stadtrundfahrt das Innere der Kirche sehen können. Auf dem Rückweg genießen wir die Sonne, bewundern noch die MS Finnmarken, die mit unserer MS Midnatsol am Kai liegt. Zum Ankerlichten sind wir an Bord und können kurz darauf die Insel Munkholmen sehen, wo einst ein Kloster, später ein Gefängnis, stand. Die nächste Fotoattraktion ist der Leuchtturm mit dem unaussprechlichen Namen Kjeungskjær Fyr. Gigabites en Masse speichern den roten Turm im blauen Wasser. Als die Einfahrt in den Stocksundet, einer Engstelle im Fjord, ansteht, finden sich alle Fotobegeisterten auf Deck 6, wo uns eisiger Wind entgegenschlägt. Unser Kapitän gibt Signal als er um eine scharfe Biegung muss und kurz darauf grüßen uns winkend viele Menschen von einer Brücke. Zum Sonnenuntergang lockt es uns noch einmal nach draußen, es ist bitterkalt. Nach dem Abendessen, wo es heute Lachs als Hauptgericht gibt, sehen wir noch eine Dokumentation über das Polarlicht. Die Bilder sind so beeindruckend, sofort kontrollieren wir in unserer Kabine den Weckruf. Für den Fall aller Fälle!


Samstag, 22. März

Heute um 7.11 Uhr überquerten wir den Polarkreis. Rosi war mit einigen Fotobegeisterten an Deck, Otto blieb lieber unter der Decke. Eine Weltkugel auf einer Schäre markiert die Trennlinie zwischen der gemäßigten Zone und der Polarzone. Zu Mittsommer erscheint die Sonne auf dieser Linie genau um 24 Uhr am Horizont. Heute sind wir davon ein gutes Stück entfernt, auch wenn es jeden Tag fast zwanzig Minuten früher hell wird. Die Landschaft ist mittlerweile recht winterlich geworden, wir können den Svartisen-Gletscher nicht von den uns umgebenden Schneefeldern unterscheiden. Gegen 8 Uhr begegnet uns das Hurtigruten-Schiff MS Nordlys auf seiner südgehenden Route. Danach können wir in Ruhe frühstücken ohne etwas zu verpassen, denn in Ørnes dauert die Ladetätigkeit nur etwa eine halbe Stunde. Bilderbuchwetter und Bilderbuchpanorama begleiten uns auf dem Weg nach Bodø. Die Passagiere sitzen mit Decken, Sonnenbrillen und Lesematerial auf dem Oberdeck. Schären, Inselchen und alte Handelsplätze ziehen an uns vorüber, die Verkehrsverbindungen des Nordlandes gehen über Wasser. Kurz nach 12 Uhr legt die MS Midnatsol am Kai in Bodø an. Der Veranstalter bietet eine Busfahrt zum Saltstraumen an, einem Mahlstrom, der sich im Gezeitenwechsel durch eine Engstelle im Sund quält. Wir haben uns entschieden, die fast drei Stunden durch die Hauptstadt des Bezirkes Nordland bummeln. Und - oh Staunen - heute am Karsamstag hat ein Supermarkt geöffnet. Wir - und ganz viele Mitreisende - erliegen dem aufgestauten Kaufrausch. Eine Überlebensration an Obst kann ja nicht schaden. Wir finden einen als Rodelhügel genutzten Bunker, Relikt aus der deutschen Besatzungszeit. Es ist nicht verwunderlich, dass die Häuser, ja selbst die Bischofskirche, nüchterne Betonbauten der fünfziger Jahre sind. Die Stadt war im Mai 1940 einem heftigen Bombardement durch die deutsche Wehrmacht ausgesetzt und massiv zerstört worden. Umso reizvoller finden wir den Fischerei - und Yachthafen mit den malerischen Booten auf dem silbernen Wasser. Traumhaft dazu herrlichster Sonnenschein. Nach der Rückkehr auf das Schiff trinken wir mit Birgitta und Manfred Kaffee und ergattern noch die letzten Gebäckstücke. Unser Schiff nimmt nun Kurs auf die Lofoten und muss dabei den Fjord und die schützenden Schären verlassen und über das offene Meer, den Vestfjord queren. Die See ist ganz ruhig, aber am westlichen Himmel erwartet uns eine dunkle Wolkenfront, die nichts Gutes verheißt. Es ist schon dunkel, wir sitzen beim Abendessen, als wir Stamsund auf den Lofoten erreichen. Durch die Fenster kann man dennoch die Lichter des Ortes und die nahen Felswände erkennen. Wir kriegen heute nach einer leckeren Fischsuppe als Hauptgericht Lammkotelett. Für Gäste die das nicht mögen, bleiben zwei Kroketten und zwei Streifen Karotten. Den anschließenden Abend verbringen wir an Deck. Zunächst begegnen wir der MS Richard With auf der Südroute. Sie trägt den Namen des Mannes, der die Hurtigruten gegründet hat. Für Rosi war es ja der Wermutstropfen dieser Reise, die Lofoten bei Nacht zu passieren. So stehen wir bei der Einfahrt in den Hafen von Svolvær an Deck und es ist wunderschön. Anmutig breitet sich die Stadt an der Felswurzel steiler Berge aus. Vom Lichterschein erhellte Wolkenfetzen zieren den Himmel. Wir drehen eine Runde durch den Ort. Es hat frisch geschneit, darunter befindet sich Glatteis. Trotz aller Vorsicht stürzt Manfred, ohne sich ernsthaft zu verletzen. Wir entdecken ein Hotel, das sehr gefällig aussieht und Rosi merkt es vor für eine Reise auf die Lofoten. Obwohl es nun merklich frostiger wird, bleiben wir am Oberdeck bis wir um ca. 23 Uhr in den Raftsund, der Meerenge zwischen den Lofoten und Vesterålen, einfahren. Halb erfroren gehen wir danach zu Bett, wohl wissend, dass wir die spektakulärste Passage nicht erlebt haben.


Sonntag, 23. März

Rosi wacht kurz nach 5 Uhr auf. Ein Blick aus dem Fenster der Kabine und sie ist hellwach. Sie weckt Otto, der sich anzieht und ihr verschlafen an Deck folgt. Es ist bitterkalt, aber die verschneiten Berggipfel sind in rotes Licht getaucht. Es sieht phantastisch aus. Die aufgehende Sonne wiederum erzeugt im Osten einen goldenen Horizont. Mit einem Schlag ahnt Rosi, was wir alles schon verpasst haben. Eine halbe Stunde später ist das ganze Spektakel vorbei und wir gehen noch mal in die Betten. Aber wir können nicht mehr einschlafen und gehören somit zu den ersten Frühstücksgästen im Restaurant. Wieder begegnet uns mit lautem Signalton ein Hurtigruten-Schiff, die MS Nordstjernen. Um 10 Uhr versammeln sich alle auf dem Oberdeck, weil König Neptun gekommen ist um die Polarkreisfrischlinge zu taufen. Einige melden sich freiwillig, andere werden von guten 'Freunden' gezwungen, sich die kühlenden Eiswürfel für den Nacken abzuholen, dazu klicken die Kameras unaufhörlich! Gegen 11 Uhr legen wir in Finnsnes an, nahe der Gisundbroen, die die Insel Senja mit dem Festland verbindet. Immer wieder gehen wir an Deck, die Sonne und den Ausblick auf die schneebedeckten Berge zu genießen und zu digitalisieren. Die größte Stadt Nordnorwegens, Tromsø, erreichen wir um 14.30 Uhr. Auch hier wird eine Stadtrundfahrt angeboten, auch hier machen wir uns auf eigene Faust auf den Weg. Über die mehr als einen Kilometer lange Tromsøbrua gehen wir zunächst zur Eismeerkathedrale. Sie ist wohl das bekannteste Bauwerk dieser Stadt und gleicht in ihrer äußeren Form den mächtigen Trockengestellen für Stockfisch. Aber auch Polarnacht, Mitternachtssonne und Nordlicht soll der futuristische Bau symbolisieren. 1965 war die Einweihung des Gotteshauses, bei unserem Besuch ist es bereits hochgradig renovierungsbedürftig und - bereits geschlossen! So bleibt noch ausreichend Zeit für die kleineren Sehenswürdigkeiten, ein altes Kino, die nördlichste Brauerei, der kleine Dom, die Statuen von Roald Amundsen und König Håkon, dem Begründer der Stadt. Weil Tromsø im zweiten Weltkrieg Hauptstadt des freien Norwegens war (König und Regierung flohen 1940 von hier nach England) und von Zerstörungen weitgehend verschont blieb, finden sich hier noch viele Holzhäuser die dem Zentrum einen urbanen Charakter verleihen. Allerdings nagt der Zahn der Zeit gewaltig an den Fassaden und auch von der gepriesenen Lebhaftigkeit dieser Stadt lässt sich nichts spüren. Unser Reiseführer verspricht viele Cafes und Kneipen und durchgemachte Nächte. Heute, am Ostersonntag ist sie menschenleer und geschlossen. War sie doch einst Ausgangspunkt für die großen Expeditionen der Nordmänner Fritjof Nansen und Roald Amundsen. Wir sind jetzt gut durchgefroren und gehen zum Schiff, um dort mit Birgitta und Manfred unseren obligatorischen Kaffee zu genießen. Weil uns nach dem Abendessen die Musik in der Bar nicht gefällt, wollen wir in der Kabine noch einige Seiten lesen. Rosi ist darüber eingeschlafen und Otto schreibt an seinen Reisenotizen, als die heiß ersehnte Durchsage kommt - Polarlicht! Auf der linken Seite des Schiffes, so dass wir es von unserer Kabine aus sehen können, zeigt sich ein schwacher grüner Schleier. Wir gucken eine Weile zu, aber Otto findet es zu dunkel zum Filmen. Und so verpassen wir, was wir uns so sehr für diese Reise gewünscht hatten. Denn das Nordlicht wurde wohl noch intensiver und farbiger. Zu unserer Erinnerung und für diesen Bericht hat uns Markus, unser Tischnachbar und ein Fotofreak, einige Bilder überlassen.


Montag 24.März

Rosi steht bereits um 5 Uhr auf, denn wir laufen in Hammerfest, der nördlichsten Stadt der Welt, ein. Otto bleibt noch länger in den Federn. Der Himmel ist grau, es stürmt und schneit. Eigentlich müsste jetzt die Sonne aufgehen, aber ein nur wenig hellerer Grauton am Horizont lässt die Himmelsrichtung erahnen. Trotzdem ist es ein besonderes Gefühl, sich so weit im Norden zu wissen, und die morgendliche, blaugraue und kalte Umgebung tut das Ihrige dazu. Wie müssen sich momentan die Menschen hier fühlen, die nun schon Monate auf helles Licht warten? Wir verbringen den grauen Vormittag mit Lesen, sehen dem Beladen in Havøysund zu und werfen uns gegen Mittag in 'Schale'. Der Ausflug zum Nordkap steht an, die einzige Aktivität, die wir schon zuhause gebucht haben. In Honningvåg, auf der Insel Magerøya, gehen fast alle Passagiere von Bord. In fünf Bussen fahren wir die 45 Minuten über verschneite Straßen. Als die letzte Siedlung erreicht ist, setzt sich ein Schneepflug vor den Buskonvoi. Dieser Teil der Straße ist in den Wintermonaten gesperrt, nur von Gästen der beiden Hurtigruten-Schiffe dürfen sie täglich benutzt werden. Es stürmt gewaltig. Unsere Begleiterin bittet uns auf Mützen, Brillen und Kameras zu achten, damit der Wind sie nicht mitnimmt. Dick eingepackt nehmen wir den kurzen Weg zur Nordkap-Halle. Dort wird ein mitreißender Film über diese 'magere' Insel gezeigt, die nur von Steinen, Moosen, Flechten, niederer Krautvegetation und natürlich Schnee, oft bis in den Juli hinein, bedeckt ist. In diesem Moment wissen wir, dass wir nach Möglichkeit wiederkommen, in einem Sommer! Mit fest geschlossenen Jacken wagen wir uns hinaus auf die 307 Meter abfallende Schieferklippe mit der Globus-Skulptur. Alle wollen ein Erinnerungsfoto an dem nördlichsten Punkt des Abendlandes! Freilich liegen noch die Inseln von Spitzbergen davor und heute weiß man auch dass nicht das Nordkap, vom englischen Seefahrer Richard Chancellor 1533 so genannt, sondern Knivskjellodden der nördlichste Punkt auf Magerøya ist. Doch solche geografischen Daten sind nebensächlich, wir hören die Aussage von Francesco Negri, der meinte: "Hier, wo die Welt endet, nimmt meine Neugier ein Ende, und ich kehre zufrieden nach Hause zurück." Doch mit unserer Rückkehr hat es noch zwei Tage Zeit. Zunächst fahren wir auf das Schiff zurück, zu unserer Kaffeepause. Wir sind der einstimmigen Meinung, authentischer hätte sich das Nordkap nicht präsentieren können! Die MS Midnatsol steuert auf ihrer Route nach Kirkenes um die Nordkinn-Halbinsel herum und danach befinden wir uns in der Barentssee. Aber das hat seinen Preis! Nach dem Ablegen in Kjøllefjord und dem Verlassen des gleichnamigen Fjords wird die See zunehmend härter. Wir merken es schon recht deutlich, als wir zum Abendessen 'schwanken'. Heute gibt es wieder Büffet, und wir können endlich "so viel essen, wie wir wollen". Bei manchen Gästen sieht es so aus, am Meeresfrüchtebüffet ist kein Platz und manchmal auch kein Food zu finden. Rosi isst zweimal von den Vorspeisen, Wal-Carpaccio ist auch dabei, wagt sich dann aber nicht mehr an das Nachspeisenbüffet. Die Wellen fordern ihren Tribut, sprich, einen Rückzug auf die Kabine. Otto stromert noch ein bisschen durch das Schiff, das relativ menschenleer durch die Barentssee schlingert. Aus dem Kabinenfenster sehen wir auf die meterhohen Wellen, wenn sie krachend an die Schiffswand schlagen. In Mehamn kann wegen des Seegangs nicht angelegt werden, das heißt, kein Personen- und Warentransport. Die Menschen werden gelernt haben, mit diesen Widrigkeiten zu leben. Für uns ist es eine neue Erfahrung, in den Schlaf geschaukelt zu werden.


Dienstag, 25. März

Als wir erwachen, befinden wir uns in ruhigerem Gewässer, seit Vardø geht es in südlicher Richtung und in den Varangerfjorden. Die Sonne geht heute backbord auf, einmalig auf dieser Reise. Wir packen, denn um 8.30 Uhr sollen wir die Kabinen räumen. Danach sitzen wir lange beim Frühstück, Birgitta und Manfred leisten uns Gesellschaft. Bis zur Ankunft in Kirkenes um 10 Uhr können wir noch etwas Landschaft gucken, es ist tiefster Winter. Ein Bus bringt uns ins gebuchte Rica- Hotel im Zentrum. Wir können einchecken, aber noch nicht auf die Zimmer. So macht sich eine Gruppe heimlich Interessierter auf den Weg zum Schneehotel, das man als Anschlusshotel hätte buchen können. Es hätte uns gereizt, in Iglu-Zimmern zu übernachten, allein der Preis macht's! So wandern wir zwei Kilometer in gleißendem Sonnenlicht durch herrliche Winterlandschaft. Für die 'Besichtigung' löhnen wir 100 Kronen und stellen danach fest, dass es für uns den Preis nicht wert gewesen wäre. Der Luxus besteht aus dem einmaligen Ambiente, die Zimmertür wird durch einen Vorhang ersetzt, Toilette und Waschraum sind auf weiter Flur! Sehr gemütlich dagegen das runde Holzhaus mit dem großen Feuer in der Mitte. Wir trinken Kaffee und grillen uns Renntierfleischwürste an Spießen. Mit Senf oder Ketchup in einen Kartoffelmehlfladen gelegt, ergibt das norwegische 'Hotdogs'. Erstmals auf unserer Reise sehen wir Rentiere und im Husky-Gehege dürfen wir die Schlittenhunde kraulen. Eine Schlittenfahrt zurück zum Ort ist Rosis heimlicher Traum. Beseelt von dem Wunsch, bestärkt durch das entgangene Nordlicht, unterstützt von Birgitta, bezahlt mit Ottos Kreditkarte - so wird dieser Traum Wirklichkeit. Es sind teure Minuten, aber ein unvergessliches Erlebnis. Nach der Rückkehr in das Hotel und dem Bezug der Zimmer wollen Rosi und Birgitta schwimmen gehen. Doch der Wellness-Bereich ist geschlossen. Vielleicht laufen wir noch ein wenig, um Kaffee zu trinken? Das Cafe ist geschlossen! Derartige Vorkommnisse begleiten uns auf dieser Reise ständig. Aber im Hotel kriegen wir Kaffee und auch 'selbst' gebackene Waffeln dazu. Wir reservieren uns einen Tisch fürs Abendessen um 19 Uhr. Otto entscheidet sich für Dorsch, Rosi mag Wildschwein, Birgitta isst Steinbeißer-Filet und Manfred bestellt Lachs. Es ist ein recht gemütlicher Abend. Noch eine Neuigkeit erfahren wir an diesem Abend. In Norwegen kriegt man Leitungswasser zum Trinken immer umsonst - nur nicht auf dem Schiff!


Mittwoch, 26. März

Da wir unsere Reisetaschen nicht ausgepackt haben, sind wir schnell für das Frühstück fertig. Dazu kann man sich wieder Waffeln backen. Um zehn Uhr fahren wir mit dem Bus zum Flughafen. Vorher waren wir noch am Fjord wo sich die schneebedeckten Berge im silbernen Wasser spiegeln. Bei der Reiseplanung hatten wir etwas Sorge, der Aufenthalt in der wichtigsten Erz-Stadt Norwegens schien uns verlorene Zeit. Durch das schöne Winterwetter konnten wir aber sehr viel draußen sein und Kirkenes genießen. Nur 10 Kilometer sind es zur russischen Grenze und in die Finnmark fährt man 35 Kilometer. Aus ein paar Häusern und einer Kirche wurde am Anfang des 20. Jahrhunderts durch den Erzabbau eine wohlhabende Gemeinde. Während des zweiten Weltkrieges kamen an die 30 000 deutsche Soldaten um den Eisenerzbedarf zu sichern, aber auch weil Murmansk der einzige europäische Hafen der damaligen Sowjetunion war, den Deutschland nicht kontrollierte. Daher war er unendlich wichtig für die Alliierten. Riesige Versorgungstransporte von Amerika und England liefen durch die Barentssee. 320 Bombenangriffe flog die Rote Armee um Kirkenes zu befreien und den Rest besorgte die deutsche Armee bei ihrem Rückzug. Danach dauerte es acht Jahre, um die Häuser und die Gruben wieder aufzubauen, es folgten gute Jahre, bis 1996 der Erzabbau unrentabel geworden war. Kirkenes ist heute, dank der norwegischen Asylpolitik, Heimat von Menschen aus über dreißig Ländern, die in der Fischerei und dem Dienstleistungssektor arbeiten. Der Shuttlebus bringt uns durch grandiose Landschaft zum Flughafen, der nicht sehr groß ist, aber die Verbindung von der Hauptstadt Oslo zu den ganz kleinen Flughäfen in dieser unwegsamen Region darstellt. In Oslo haben wir vier Stunden Aufenthalt, die wir eigentlich für eine Fahrt ins Zentrum nutzen wollten. Letztlich halten sich Kosten und Erleben nicht die Waage. Bei der Landung in München ist es bereits dunkel. Wir verabschieden uns von Birgitta und Manfred mit dem Versprechen, Kontakt zu halten und sie einmal am Bodensee zu besuchen. Schon gegen 21 Uhr sind wir wieder zuhause. Was uns noch tagelang an die Reise erinnert, ist das Gefühl des schwankenden Bodens unter den Füßen!
Schön war's, und viel ham ma erlebt !!!

© copyright Rosi Kinateder