Der Wetterbericht hat für heute und morgen hochsommerliche 30° angekündigt. Und jetzt das! Der Himmel wolkenverhangen. Irgendwo vor Ehingen sogar ein paar Tropfen. In der Heimatstadt des Metzgermeisters Anton Schlecker, der für viele Jahre der europäische Drogeriemarktkönig war, macht Otto halt. Er möchte unbedingt sehen, was aus dem "Schleckerland" nach der Pleite geworden ist. Otto hat hier unzählige heiße Verhandlungen ausgefochten. Der protzige Glaspalast ist nahezu unverändert und bietet heute als "Business Park Ehingen" Büro- und Tagungsflächen an. Okay, weiter! Jetzt kommt die Sonne mit aller Kraft. Direkt vor dem Ziel Umleitung. Die Polizei winkt uns weiter. Die Stellplatzzufahrt ist gesperrt. Als wir nach 16 Kilometer Umweg endlich in das gepflegte Womo-Areal in Geisingen einlaufen, heißt es: Markise und Stühle raus, im Schatten die Füße hochlegen!
Frische Bäckerbrötchen zum Frühstück, mhm. Danach radeln wir zeitig los, um der Tageshitze wenigstens am frühen Vormittag zu entkommen. Der Radweg entlang der jungen Donau nach Donaueschingen ist nicht komplett eben. Und weil der kleine Fluss kräftig mäandert, tut es ihm die Zweiradstrecke gleich. Aber nicht entlang des Flusses. Mal links, mal rechts durch Wiesen und Felder, stets gut ausgeschildert. Die Sonne brennt auf den Rücken. Schatten Fehlanzeige. Aber der Fahrtwind kühlt angenehm. Blöd an den Steigungen zwischendurch. Zum Glück geht's gleich wieder bergab. Eine Umleitung hinter Pfohren verlängert die Strecke um fast fünf Kilometer. So haben wir an der Donauquelle in Donaueschingen 20 Meilensteine mehr auf dem Tacho. Wir lassen uns Zeit am Ursprung vom zweitlängsten Fluss Europas. Schon befremdlich: da wird eine kleine Quelle unterirdisch in die Brigach geleitet und am Zusammenfluss mit der Breg heißt das Ganze Donau! Der folgende Weg zum Rathaus führt vorbei an einigen Jugendstilfassaden. Die Mittagshitze lähmt unseren Entdeckerdrang. Wir machen uns auf den Rückweg. "S' Café an der Donau" in Pfohren ist eine bekannte Radleradresse. Wir machen hier unsere späte Mittagspause. Die letzten zwölf Kilometer fordern uns noch mal enorm. Gnadenlos brennt der Fixstern von oben. Und von vorne hindert Gegenwind spürbar das Heimkommen. Endlich, Markise raus, Stühle raus, Füße hoch, Programm von gestern.
Otto hat heute Nacht Blut gespendet. Summende Quälgeister haben seine Nachtruhe empfindlich gestört. Am Morgen der angekündigte und ersehnte Regen. Wir bleiben lange liegen. Die Temperaturen bewegen sich bei für uns angenehme 20 Grad. Wir genießen den lazy morning. Mittags endet die kurze Regenzeit und wir radeln flussabwärts nach Immendingen. Hier beobachten wir das Naturschauspiel Donauversinkung. Fast die Hälfte des Jahres verschwindet der junge Fluss in einem riesigen unterirdischen Höhlensystem, hinterlässt ein trockenes Flussbett und landet zum Teil im Aachtopf, der größten Quelle Europas. Von dort geht die Reise über Bodensee, Rhein in die Nordsee. Die Donau, am Anfang aus unterschiedlichen Quellen gespeist, weiß offenbar nicht wohin des Wegs.
Heute Nacht war Rosi dran beim Blut spenden. Auch unfreiwillig. Wir verlassen die Donau mit Ziel Rhein. Eine unglaubliche Irrfahrt! Die Brückensperrung in Geisingen zwingt uns zunächst nach Norden, bevor wir nach 15 Kilometern Umweg wieder am anderen Donauufer Geisingen passieren. Gleich darauf die nächste weite Umleitung. Rosi ist sauer. Trotzdem erreichen wir irgendwann die alte Grenzstadt Laufenburg. Der Stellplatz hier bietet gerade mal sechs Fahrzeugen Platz und ist natürlich voll belegt. Das hatten wir vorausgesehen und bereits Alternativen berücksichtigt. Nur vier Kilometer weiter finden wir Quartier direkt am Rhein beim Naturbad in Murg. Ein schöner Platz. Am Kiosk vor dem Bad gibt's Currywurst mit superguten Pommes als Seelentröster. Danach schwingen wir uns in die Sättel und strampeln zurück nach Laufenburg. Der südliche Stadtteil, durch den Rhein getrennt, liegt im Kanton Aargau in der Schweiz, der nördliche in Baden. Die Stadt ist berühmt für seine traditionelle Fasnacht. Und sie ist schmuck anzusehen. Wir gehen über die alte steinerne Brücke in den schöneren schweizerischen Teil durch verwinkelte gepflasterte Gassen hoch zur Burgruine. Rosi ohne Ausweis! Am Nachmittag erholen wir uns vor dem Womo in der milden Sonne. Es geht uns gut.
Erst nach dem obligatorischen Mittags-Cappuccino darf Rosi nach Bad Säckingen aufbrechen. Der Radweg ist wirklich eben, nur ein leichter Gegenwind bremst etwas. Otto freut sich schon auf den Rückweg. Das vermutlich berühmteste Gebäude der kleinen Stadt ist die alte, massive, über 200 m lange Holzbrücke über den Rhein nach Stein im Aargau. Wir queren sie gemütlich und stellen fest, dass diesmal der deutsche Grenzort eindeutig attraktiver ist, als sein Schweizer Pendant. Mehrfach stoßen wir auf das Wort "Hiddigeigei". Beim Schloss entdecken wir die Lösung in einer Schautafel: der Dichter Joseph Victor von Scheffel fand hier die Inspiration für sein Werk "Der Trompeter von Säckingen" um die (un)glückliche Liebe zweier Liebender. Der Kater "Hiddigeigei ist grünäugig, mit schwarzem Samtfell, mächtigem Schweif und einem zuweilen hochmütigen Dulderantlitz". Seine Stadt finden wir auf jeden Fall einen Bummel wert. Neben ihren optischen Reizen erliegen wir am Ende auch den kulinarischen der Konditorei Pfeiffer. Der Rückenwind macht den Heimweg tatsächlich noch mal spürbar leichter.
Gerade mal 50 Kilometer weiter nordwärts sind wir mitten im Hochschwarzwald. Der Schluchsee wurde künstlich aufgestaut und dient in erster Linie dem Tourismus und der Stromversorgung. Der Womo-Stellplatz ist voll belegt. Wir bleiben auf dem Overflow an der B500. Der ist zwar tagsüber kostenlos, kostet aber nachts letztlich auch die 24-Stundengebühr. Und wie wir später feststellen, ist er tagsüber sehr laut. Egal, eine erste Ortsbesichtigung bringt uns zur Amalienruh, einem kleinen Pavillon am Ufer. Später ziehen wir die Trekkingschuhe an und stapfen los zum Riesenbühl, auf dem ein über 30 m hoher Aussichtsturm thront. Die Sonne kommt raus und begleitet uns auf der Direttissima. Mit beiden Händen am Geländer erklimmt Otto tapfer den Turm und verlässt ihn schnell wieder. Fester Boden unter den Füßen ist ihm deutlich sympathischer. Am Horizont sieht man die Schweizer Gipfel Sentis, Eiger, Mönch und Jungfrau. Rosi von oben und Otto von unten. Für den Rückweg wählen wir den längeren, aber prima zu gehenden Forstweg.
Sonne und Wind geleiten uns durch den heutigen Tag. Der beginnt in Grafenhausen. Hier steht das "Hüsli", ein stattliches Schwarzwaldhaus, seit 1968 Museum. Professor Brinkmann alias Klaus Wussow und Gabi Dohm von der Schwarzwaldklinik hatten hier ihr Filmdomizil. Die kleine Ausstellung, das prächtige Haus mit seinem üppigen Blumenschmuck und der friedliche Garten sind bezaubernd. Im Anschluss machen wir uns auf den "Thomas Schäuble Weg", eine 6 km lange Strecke zum und um den Schlüchtsee. Vorher wurden wir gewarnt, bei dem starken Wind nicht durch Wald zu wandern. Genau das machen wir jetzt. Hohe Fichten am Einstieg schwanken bedenklich, aber im Wald selbst ist es ruhig und gut zu gehen. Wir verlassen die Region Schluchsee über Titisee auf der Schwarzwald Panoramastraße Richtung Furtwangen. Die Natur um uns ist einfach schön. Otto will unbedingt noch zur Hexenlochmühle, einer fast 200 Jahre alten Sägemühle. Sie wird mit Wasserkraft betrieben und ist heute noch funktionstüchtig. Ein beliebtes und kitschiges Ausflugsziel tief unten im Tal, über eine schmale gewundene Straße zu erreichen. Hier bekommt Otto seine Schwarzwälder Kirschtorte. Und Rosi einen schicken Strohhut. Südöstlich von Furtwangen hat Rosi bei Linach einen kleinen Campingplatz ausgemacht, den Michelhof. Er ist das idyllische Ziel unseres heutigen Tages.
Keine Sonne, kein Wind. Die Nacht war frisch. Von anderen Reisenden haben wir erfahren, dass sie die Triberger Wasserfälle total überlaufen erlebt hatten. Wir versuchen's trotzdem. Am ersten Parkplatz ganz oben bekommen wir den Tipp, weiter nach unten zu fahren, weil der Weg von hier sehr weit und anstrengend sei. Okay. Auf dem Scheffel-Parkplatz ergattern wir die letzte freie Lücke. Der Eintritt zu Deutschlands höchsten Wasserfällen kostet uns ohne Gästekarte 12 Euro! Wow, wir sind gespannt auf das was jetzt dann geboten wird. Im gesamten Bereich der Sehenswürdigkeit gilt Maskenpflicht. Kein Problem, zum Glück sind nicht so viele Menschen da. Gleich danach stehen wir an der ersten Kaskade. Aha! Nicht wirklich beeindruckend. Runter zur nächsten Brücke. Enttäuschend! Wir wählen den längsten Weg bis zur Wallfahrtskirche im Ort und an den Fällen wieder hoch und sind nach einer Stunde wieder beim Womo. Ein Spaziergang für 12 Euro! Das Erlebnis muss jetzt die weltgrößte Kuckucksuhr in Schonach ausgleichen. Der Eintritt zum hölzernen Räderwerk ist mit zwei Euro pro Person direkt günstig. Nach einer freundlichen Erklärung lassen wir uns ablichten und warten vor dem Häuschen geduldig auf das Erscheinen und Rufen des Kuckucks. Nun denn, Pflichtprogramm abgehakt. Über Rottweil und Balingen wenden wir uns langsam heimwärts. Am Nachmittag fahren wir den schönen Stellplatz in Nehren an. Er ist sogar kostenlos. Kompliment an die Stadtverwaltung. Weil jetzt wieder alles passt, kommt auch die Sonne zurück und lässt uns in tiefblauen Himmel blicken.
Vier Dinge wollen wir heute noch erledigen:
1.) bei WMF in Geislingen an der Steige nach einem günstigen Besteck schauen - Fehlanzeige.
2.) bei Buttinette in Wertingen Ersatz für die verschlissenen Womo Polsterbezüge kaufen - perfekt.
3.) bei Segmüller in Friedberg nach einem günstigen Besteck schauen - gefunden und gekauft.
4.) Womo entsorgen - das klappt auf dem kostenlosen Stellplatz in Friedberg direkt hinter dem Möbelhaus super. Zudem erhält Otto hier wegen des einsetzenden Starkregens auch noch eine Gratisdusche.
Am frühen Abend sind wir zufrieden wieder zuhause und ziehen auf dem Balkon unser Resümee: Wohnmobilreisen ist in Zeiten von Corona mit die sicherste Urlaubsform! Die angefahrenen Stellplätze hatten alle keine Sanitärgebäude, was aber unser großzügiges Bad im Womo locker kompensieren konnte. Geisingen, Murg und Nehren liegen auf einem Niveau, dabei bekommt aber Nehren noch ein Sonderlob, da komplett kostenlos. Die Regionen um die junge Donau bzw. am Rhein haben uns prima gefallen. Auch der Schwarzwald war eine Reise wert, weniger jedoch die Touristenorte Schluchsee und Triberg.
Bis zum nächsten Mal.