Eine Spätsommerreise mal wieder nach Dänemark stand auf Ottos Wunschliste. Dummerweise fand unsere „Finkennest“-Eigentümerversammlung erst am 1. September statt. Und die hatte es in sich! Von 18 Uhr bis 23:37 Uhr wurde palavert, was das Zeug hielt. Schnell schlafen und am Morgen nichts wie weg!
Hinter Regensburg telefonische Kontaktaufnahme mit Toni und Günther. Mist, keiner zuhause. Ans Mobiltelefon geh‘n sie auch nicht. Okay, dann machen wir halt ohne die Beiden Kaffeepause in Weiden. Kaum haben wir unser Schiff im Zentrum mühsam eingeparkt, ist ein erneuter Anruf erfolgreich. Sie sind jetzt daheim. Also doch Kaffee in der Schopenhauerstraße. Otto stellt den Motor dort ab, packt seine sieben Sachen und stellt entsetzt fest: „Ich habe meine Geldbörse mitsamt Ausweis und allen Karten daheim vergessen!“ Spontan erklärt Günther sich bereit, Otto mit dem PKW die 200 Kilometer nach Freising und zurück zu fahren. Viereinhalb Stunden Zeit für ausgiebige Männergespräche. Am Abend gibt‘s Asia-Food vom Vietnamesen. Und viel zu erzählen. Und Iris und Andi werden am 9. September (Adoptiv-)Eltern!
Heute wollen wir die gestern versäumte Strecke gutmachen und das ursprünglich definierte Tagesziel erreichen, die „Hirschkoppel“ bei Altlandsberg. Das nötigt uns rund 470 Kilometer unter die Räder! Unser Navi kennt jede Baustelle auf der Strecke. Davon gibt es reichlich! Und vor jeder Baustelle warnt das System und möchte uns neben der nervigen Ansage eine Umleitung empfehlen. Bei Leipzig und südlich von Berlin staut‘s wirklich zweimal kräftig. Trotzdem rollen wir kurz nach 17 Uhr beim Damwildgehege aus. Auf einer saftigen Wiese holen wir die Stühle raus und genießen unser Abendbrot in der tiefstehenden Sonne. Bei unserer Gastgeberin erstehen wir noch Salami und Schinken vom Wild aus eigener Produktion.
Während unserer Tour durch die Uckermark im Juni mussten wir den geplanten Besuch des Kaiserbahnhofs auslassen. Die heutige Strecke nach Norden führt direkt an Joachimsthal vorbei und wir haben reichlich Zeit. Einsam und verlassen erwartet uns das historische Wilhelminische Ensemble. Und eine digitale Laufschrift informiert nicht vorhandene Reisende, dass aufgrund des Streiks der Lokführer der Zugverkehr eingeschränkt sei. Auch Prenzlau liegt auf unserer weiteren Strecke und auch Prenzlau fiel im Juni ebenfalls dem Reiserotstift zum Opfer. Wir parken beim „Hoppe-Balkon“ am Unteruckersee. Nicht weit ist die mächtige Backsteinkirche St. Marien. Wir löhnen zwei Euro Eintritt und dürfen viele Treppenstufen hoch auf die beiden Türme. Ganz oben in der Türmerstube sind wir sehr dankbar, dass fleißige Hände (und Beine) einige Stühle hoch geschleppt haben. Zu einer späten Kaffeepause lädt die „Pommernkate“ in Rambin auf Rügen ein. Den Parkplatz davor nutzen wir auf Empfehlung von „Landvergnügen“ für unser Nachtlager.
Wir haben heute Muße. Spätestens um 11 Uhr sollten wir an der Fähre in Sassnitz sein. Dahin sind‘s gut 35 Kilometer. Da wir relativ zeitig aufgewacht sind, vertreiben wir den Vormittag mit Lesen, bzw. Stricken. Dann durchqueren wir Rügen und warten in Mukran auf die Ankunft der Bornholmslinjen. Mittags heißt es Leinen los. Die dreieinhalb Stunden auf dem Wasser sitzen wir überwiegend in der Lounge. Die noch mal knapp 30 Kilometer von Bornholms Hauptstadt Rønne nach Sandvig an der Nordspitze tuckern wir gemütlich dahin. Der kleine Campingplatz in den Hügeln am Meer hat es uns zuhause bereits angetan. Und in Natura ist er noch schöner als im Internet. Nach Sonnenuntergang wird‘s frisch. Wir verlegen die abendliche Spielerunde nach drinnen.
Frühstück mit Blick auf die Granithügel schmeckt gleich noch mal so gut. Danach schnüren wir die Trekkingschuhe und begeben uns auf den Rundweg um die nördliche Halbinsel, immer an der Küste entlang. Bis zum winzigen Leuchtturm Hammerodde Fyr ist der Weg sogar geteert. Von hier weg ist er nicht mehr Rollstuhlgeeignet. Immer wieder bleiben wir stehen und schauen. Am westlichen Horizont können wir sogar die schwedische Küste nördlich von Ystad ausmachen. Auf einer Ruhebank vor der mittelalterlichen Kirchenruine Salomons Kapel rasten wir kurz, um von hier den Rückweg über die Heidehügel anzutreten. Kurz vor dem Campingplatz steigen wir durch eine kleine Felsschlucht ab und haben wieder Meerblick. Der erste Rundgang war schon mal schön. Beim nachmittäglichen Spaziergang begleitet uns die Sonne nicht. Gar nicht so übel, so kommen wir nicht ins Schwitzen. Die Route ist nämlich deutlich länger als am Vormittag. Wir wandern vorbei am Hammersø, er ist der größte See Bornholms, und am Opalsø, entstanden durch den Granitabbau. Gleich kommt der kleine Hammerhavn in Sicht, wo ein paar Boote liegen. Wir aber ziehen weiter zur Burganlage Hammershus. Sie liegt auf einem Felsrücken und gilt als Nordeuropas größte Burgruine. Wow, die Ausmaße sind tatsächlich enorm. Wir erkunden die vielen aufgestellten Schautafeln und haben trotzdem keine echte Vorstellung, wie es hier im 13. Jahrhundert zur Zeit ihrer Erbauung ausgesehen haben mag. Nach einer kurzen Rast gehen wir einen alternativen Weg über den Hafen zurück zum Campingplatz. Otto hat danach über 18.000 Schritte auf dem Tageskonto, Rosi ob ihrer kürzeren Beine gar über 20.0000!
Die erste wichtige Tätigkeit heute ist der Umzug von unserem Schatten- auf einen Sonnenplatz nur wenige Meter weiter. Jetzt haben wir sogar noch Meerblick! Um später auf den Radweg nach Allinge zu gelangen, heißt es vorher die Steigungen in Sandvig zu bewältigen. Fast wie die Straßen von San Francisco. Auf halber Strecke finden wir mit den Madsebakken 5500 Jahre alte Relikte aus der späten Stein-, sowie folgenden Bronze- und Eisenzeit. Auf dem heiligen Felsen wurden Steinzeichnungen eingraviert. Es handelt sich überwiegend um Schiffe, aber auch das Sonnenrad ist vorhanden. Die heutigen Nachfahren haben in Allinge ein buntes, lebendiges, typisch dänisches Zuhause gefunden. Da sticht die Aufschrift „Schweizerkonditoriet“ richtiggehend heraus. Wer kann dazu schon nein sagen? Wir lieben dänische Backwaren, wie zum Beispiel Wienerbrød. Über den kleinen Hafen gelangen wir zur bekannten Fischräucherei, wo wir eine Makrele fürs Abendbrot erstehen. Auf nach Hause! Wieder zunächst steil im Ort hoch bis zum Radweg, dafür geht‘s in Sandvig nur noch bergab. Den Nachmittag sitzen wir in der Sonne vorm Womo, am schönen Sandstrand und bummeln durch den kleinen Ort. Abends spazieren wir noch mal zum Leuchtturm, um der Sonne zuzusehen, wie sie sich nasse Füße holt.
Heute verlassen wir unseren Campingplatz und die Hammeren Halbinsel Richtung Osten nach Gudhjem. Südlich im Inselinneren in Olsker befindet sich eine der vier Rundkirchen Bornholms. Circa 1150 als Wehrkirche errichtet, diente sie den Menschen damals sowohl als Gotteshaus, wie auch als Zufluchtsstätte vor Überfällen. Eindrucksvoll stemmt sich der blütenweiße Turm in den strahlend blauen Himmel. Besonders beeindruckend aber ist das Innere. Im Kirchenraum trägt ein zentraler Stützpfeiler ein rundumlaufendes Gewölbe das reich mit Kalkmalereien verziert ist. Der unglaublich gepflegte Friedhof rund um das Gebäude ergänzt die beschauliche und friedvolle Atmosphäre perfekt. Ein Ort, an dem man gewesen haben muss! Über schmale Flurstraßen schlängeln wir uns Richtung Küste. Ein Massenandrang auf dem Parkplatz bei den Helligdomsklipperne führt zu einer Diskussion, ob wir uns das Spektakel antun sollen. Wir lassen die 20 m hohen Klippen der Steilküste links liegen und fahren gleich zum Campingplatz in Gudhjem. Oh je, ausgebucht! Gut, dann zwei Kilometer weiter zum Sannes Luxuscamping. Hier finden wir eine Bleibe für die nächsten beiden Tage. Das Sanitär- und das Küchengebäude toppen alles, was wir bisher gesehen haben.
„Das Kobbeå-Tal ist mit seinen steilen und an manchen Stellen fast senkrecht stehenden Talseiten eines der schönsten Bachtäler auf Bornholm.... Der Wasserfall Stavehøl ist mit fast 4 Metern der höchste senkrechte Wasserfall Dänemarks.“ Und diese beiden Sensationen sind gerade mal zwei Kilometer vom Campingplatz entfernt. Mit leichtem Rucksack und Trekkingschuhen bewaffnet, machen wir uns auf den Weg. Über Stock und Stein gehen wir im schattigen Wald auf einem abenteuerlichen Pfad entlang eines Rinnsals. Rosmarie hinterfragt bald, welche Wassermassen wohl den Wasserfall bilden mögen. Umgestürzte Bäume und massive Felsbrocken säumen die Schlucht. Es kommt, wie es kommen musste: der Wasserfall tröpfelt vier Meter senkrecht nach unten - armes Dänemark! Weitere zwei Kilometer trennen uns jetzt noch von der größten Rundkirche Bornholms, der Østerlars Kirke. Und der Besuch dort ist wahrlich kein Reinfall. Vermutlich zur gleichen Zeit wie die Ols Kirke errichtet, übertrifft sie diese an Größe und Ausstattung. Das Gewölbe im Erdgeschoss zieren Darstellungen aus der Bibel. Der Mittelpfeiler ist hohl und konnte räumlich genutzt werden. Eine enge, steile, in die Außenmauer eingebaute Steintreppe führt nach oben. Dort schließen sich zwei weitere Stockwerke an. Zunächst der Zufluchtsraum für Frauen und Kinder, darüber ein Wehrgang mit Schießscharten. Der Dachstuhl mit dem kegelförmigen Dach wurde erst im 16. Jahrhundert hinzugefügt. Auch die Østerlars Kirke umgibt ein penibel gepflegter Friedhof. Und zu guter Letzt trägt das stilvolle Café im Pastorenhof mit seinem gemütlichen Garten dazu bei, dass wir etwas länger hier verweilen. Der „Stempelkaffee“ schmeckt richtig gut. Die gut vier Kilometer zurück zum Campingplatz wandern wir ohne Schatten in der Sonne. Ein leichter Wind macht das Gehen erträglich. Am Nachmittag radeln wir nach Gudhjem. Der Ort ist touristisch herausgeputzt. Kleine Läden in bunten Häusern sorgen für Kauflaune. Die Cafés und Restaurants sind voller Menschen. Wir schlecken ein Eis und sind guter Dinge.
Das Waldgebiet Almindingen ist Dänemarks drittgrößtes und wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts von Förster Rømer gegen den Widerstand der Bauern als solches angelegt. Heute durchzieht ein dichtes Wanderwegenetz die abwechslungsreiche Natur. Wir starten vom Parkplatz bei der Lilleborg nach Süden und besuchen zunächst die Gamleborg. Diese Fluchtburg aus der Wikingerzeit wurde etwa zwischen 800 und 1050 genutzt. Außer den beiden Toren ist nicht mehr viel zu sehen. Von hier gelangen wir auf schönen Waldwegen ins breite Ekkodalen. Berühmt wegen seiner senkrecht abfallenden Felswände und wie der Name schon sagt, wegen des Echos an einer bestimmten Stelle. Rosmarie verbietet Otto, es zu testen. Ohne Nachhall steigen wir die steile Wand hoch. Wir nähern uns dem Dronningstenen, ohne den Granitfindling wirklich identifizieren zu können. Es ist alles voller großer Steine hier! Am Rytterknægten erreichen wir den höchsten Punkt Bornholms, 162 m über dem Meer. Das genügt uns, wir ersparen uns den Aufstieg auf den Aussichtsturm. Lieber genehmigen wir uns einen Kaffee am Kiosk. Weiter zur Lilleborg stolpern wir immer wieder über große Steinpilze am Wegrand. Zum Glück ist der Rucksack praktisch leer, zumindest bis hierher. Die kleine Burg war bereits kurz nach ihrer Errichtung im 12. Jahrhundert wieder zerstört worden. Am Womo leeren wir den Rucksack und gehen weiter auf Entdeckerreise. Den Rokkestenen, einen eiszeitlichen Findling, vermag Otto nicht zu bewegen. Und auf den See Puggekullekær folgt ein weiteres Spaltental, durchzogen von einem feuchten Graben mit reichlich Farnen, Moos UND Steinpilzen. Wir haben jetzt genug gesehen und gefunden. Mit dem Hullehavn Camping wartet in Svaneke unsere neue Heimat für die nächsten beiden Tage.
Entgegen der Wettervorhersage ist es am Morgen voll sonnig. Wir rutschen die Stühle sogar in den Schatten. Sommerlich leicht gekleidet spazieren wir den kurzen Küstenweg nach Svaneke. Die östlichste Stadt Dänemarks gilt als eine der schönsten Bornholms. Ja, sie gefällt auch uns. Wir gehen am Hafen vorbei zur Fischräucherei. Ab 11 Uhr gibt es frische warm geräucherte Heringe. Prima, da gehen wir kommen zum Essen nochmal her. Vorher streifen wir vorbei an gepflegten Gärten und Häusern durch belebte Gassen. Am Torget im Zentrum ist heute Markt. Wir schlendern gemütlich hoch zur knallroten Kirche. Der Friedhof ist für uns wie immer ein Muss. Es beginnt zu tropfen und im nächsten Moment regnet‘s heftig. Durchweicht laufen wir zur Kirche. Mist - verschlossen. Eine schmale Nische neben der Tür bietet nur unzureichend Schutz. Wir drücken uns ans Mauerwerk. Plötzlich stellt Otto fest, dass er rote Hände hat. Die Fassadenfarbe geht ab. Der Rucksack und Rosis T-Shirt haben reichlich abbekommen. Mit dem Regenwasser aus dem Fallrohr werden wenigstens die Hände gewaschen. Durchnässt entdecken wir eine weitere Kirchentüre. Und die ist zum Glück nicht verschlossen. Im kühlen Inneren warten wir auf das Ende des Regengusses. Eigentlich wollten wir ja im Brugsen noch Lebensmittel besorgen. Aber in unserem Zustand fällt das zusammen mit dem Hering ins Wasser. Zurück beim Womo lässt sich sogar die Sonne wieder blicken. Nachmittags wagen wir einen neuen Anlauf. Der Einkauf ist schnell erledigt. Auf zur Røgeri. Kaum sitzen wir mit unserem Heringsteller auf der Terrasse, ist die Sonne weg und frischer Wind da. Gibt das jetzt eine Wiederholung? Wir haben Glück. Es bleibt trocken, auch den ganzen restlichen Tag.
Grau in grau verabschieden wir uns vom Hullehavn Campingplatz und unseren Nachbarn. Mit Shorts und Regenjacken bekleidet starten wir die Wanderung durch die Paradisbakkerne (zu deutsch Paradieshügel). Auf dem südlichen Parkplatz sind wir gerade mal das zweite Fahrzeug. Wir folgen exakt der Tourempfehlung unseres Reiseführers. Rosmarie hat eine Schüssel und eine passende Papiertüte in den Rucksack gepackt. Für was wohl? Schon nach wenigen Schritten sind die ersten Pfifferlinge geerntet. Von oben ist es zum Glück trocken. Die Regenjacke wird umgebunden. Der See im Hochmoor ist bedeckt mit Seerosen. Und die enge und tiefe Spalte im Dybeldal wird ihrem Namen gerecht. Otto gefällt das folgende Hochheidegebiet ganz besonders. Nur die Pilzausbeute lässt heute zu wünschen übrig. Dafür wird das Wetter ständig besser. Den Rokkestenen bringt Otto nicht wirklich zum Wackeln. Nach drei Stunden sind wir zurück beim Ausgangspunkt. Auf über Nexø zum Familiecamping in Dueodde. Die Rezeption ist nicht besetzt. Der Hamburger „Hausmeister“ zeigt uns hilfsbereit den Platz und die Einrichtungen. Dann aber zum Strand. Der ist eine Wucht. Feiner weißer Sand so weit das Auge reicht. Vor uns die dunkelblaue Ostsee und über uns ein wolkenloser Himmel. Da müssen wir doch gleich noch ein paar Schritte machen. Mehr als 20.000 sind‘s dann am Abend. Da werden wir bestimmt gut schlafen.
Nur die Sonne war Zeuge - passt heute nicht! Sie hat nicht bemerkt, dass wir mittags die lange Strandwanderung zum Leuchtturm an der Südspitze gemacht haben. Und sie hat auch nicht beobachtet, wie wir abends noch mal in Gegenrichtung am Strand gegangen sind. Darüber hinaus können wir jedoch feststellen, dass außer uns nur sehr wenige Menschen unterwegs sind. Die Saison auf Bornholm ist halt zu Ende. Auch unser Campingplatz wird winterfest gemacht.
Beim Aufwachen färbt die Sonne die Baumwipfel. Bis wir aus den Federn gekrochen sind, ist‘s mit der Herrlichkeit schon wieder vorbei. Sicherheitshalber packen wir die Regenjacken für die kurze Radstrecke nach Snogebæk ein. Gottseidank umsonst. Als wir nach dem Mittagessen zu einer längeren Radtour aufbrechen, spitzt die Sonne neugierig durch ein paar Wolkenlücken. Unser erstes Ziel ist die alte Wassermühle nahe bei Østre Sømark. Das lauschige Café nebenan hat leider geschlossen. Wir spazieren am Strand in das Fischerdorf und stellen uns auf die Markierung des 15. Breitengrads, der die Mitteleuropäische Zeit definiert. Hier steht die Sonne um 12 Uhr mittags exakt im Süden. In Pederker machen wir der möglicherweise ältesten Kirche Bornholms unsere Aufwartung. Auf dem offenen Klavier im Altarraum spielt Otto leise das Te Deum. Apostel Paulus ist die romanische Kirche in Poulsker geweiht. Ihr Glockenturm steht frei neben dem Gotteshaus. Schwere dunkle Wolken lassen Rosi um unsere Pilze bangen, die zum Trocknen vor unserem Womo stehen. Entwarnung! Bald sind wir zufrieden zurück. Den Abend beschließen wir mit einem letzten Strandspaziergang. Morgen werden wir Dueodde, einen der bezauberndsten Orte Bornholms, wieder verlassen.
Ade schöner Famliecamping und tschüss Dueoode Strand. Es war toll hier, wenn auch das Wetter nicht die ganze Zeit mitgespielt hat. Wir haben das Frühstück draußen genossen und uns ohne Hektik reisefertig gemacht. Jetzt tuckern wir gemütlich nach Åkirkeby, dem einzigen größeren Ort auf Bornholm, der keinen Hafen besitzt. Die große Johannes-Kirche hier wird ebenfalls als älteste Kirche Bornholms geführt. Auf jeden Fall ein beeindruckender Bau. Die reich verzierte Kanzel, ihr Aufgang und der prächtige Altar stammen aus der Renaissance. Der restliche Ort ist recht öde und verlassen. Das Museum NaturBornholm etwas außerhalb ist aufgrund seiner fensterlosen Kubusform mit Feldsteinfassade architektonisch bemerkenswert. Wir gehen nur durch den frei zugänglichen Außenbereich. Auf halber Strecke Richtung Rønne in Nylars befindet sich eine weitere Rundkirche. Wir haben Zeit und Muße, sie zu besichtigen. Sie hat im Gegensatz zu den anderen keine Stützstreben außen. Innen präsentiert sie sich in mittelalterlicher Ausstattung. Auf zum nächsten Superlativ. Das Fischerdörfchen Arnager hat die längste Seebrücke Dänemarks vorzuweisen. Mit einem Becher Cappuccino bewaffnet schauen wir dort aufs Meer. Die letzte Station heute vor der Fährpassage morgen ist der Nordskoven Strand Camping in Rønne. Das große Wiesenareal mit ausreichend Stellplätzen, vielen Hütten und Zelten wird von einem Jugendlager in Beschlag genommen. Der Platzinhaber beruhigt uns: „Sie werden heute nicht viel Lärm machen, weil es am Abend regnen soll.“ Die Prognose ist korrekt.
Hat gestern Bornholm ein paar Abschiedstränen verdrückt, so hat die Insel heute Nacht eine ganze Tränenflut über uns ausgeschüttet. Die Wassermassen haben auf das Blechdach getrommelt, dass wir Angst bekamen, am Morgen nicht mehr aus der versumpften Wiese rauszukommen. Als um 6 Uhr unser Wecker klingelt, ist der Spuk vorbei. Und das Womo ist nicht im Boden versunken. Um 7 Uhr stehen wir am Fährhafen, eine Stunde später legen wir Richtung Sassnitz ab. Die Pommernkate in Rambin auf Rügen versorgt uns zu Mittag, bevor wir kurz darauf den vielgelobten Stellplatz an der Rügenbrücke in Stralsund ansteuern. Was ist denn hier los? Womos stauen bereits in der Zufahrt. Auf dem Stellplatz stehen sie so eng, dass gerade mal ein jeder seine Aufbautür öffnen kann. Komplett ausgebucht! Gut, dann muss die alte Hansestadt eben ohne uns zurechtkommen. Otto fragt telefonisch beim Pasterhof in Eichhorst an, einem „Landvergnügen“-Stellplatz rund 100 km weiter südlich. Dort sind wir die einzigen Gäste. Der 350 Jahre alte Pfarrhof bietet seinen Bewohnern ein wunderschönes Zuhause. Das ehemalige 600-Seelen-Dorf mit seinen heute noch 60 Bewohnern dagegen ist öde und wirkt fast gespenstisch.
Wir haben gestern noch lange überlegt, wie wir den weiteren Rückweg gestalten können. Das Funkloch am Pasterhof hat die Sache zusätzlich erschwert. Auf jeden Fall starten wir mit der Besichtigung der Burg Stargard südlich von Neubrandenburg. Die Backsteinanlage war im 13. Jahrhundert für den Markgrafen von Brandenburg errichtet worden. Und der Park davor versorgt heute Rosi mit frischen Champignons. Damit auch Otto nicht zu kurz kommt, spendiert das Burgcafé eine kleine Tellermahlzeit: Steckrübeneintopf. Wie machen wir jetzt weiter? Eine hitzige Diskussion mündet in dem Ergebnis, Potsdam mit seinen Schlössern anzufahren. Rund 150 km und einen unvermeidlichen Stau weiter, rollen wir auf den Stellplatz am Krongut in Potsdam. Die Sonne begleitet uns auf unserem ersten Spaziergang zur Orangerie und dem Schloss Sanssouci. Über die Weinbergterrassen, vorbei an der Großen Fontäne, gehen wir durch den Park zurück. Wir beschließen auf jeden Fall länger hier zu bleiben.
Heute beginnen wir die Eroberung Potsdams von Norden her. Zwischen Jungfernsee und Heiligem See liegt idyllisch das Schloss Cecilienhof. Im englischen Landhausstil Anfang 1900 von Kaiser Wilhelm II für seinen Sohn und dessen Frau Cecilie erbaut. Berühmtheit erlangt hat es als Austragungsort der Dreimächtekonferenz 1945. Winston Churchill, Harry S. Truman und Josef Stalin haben hier nach Ende der Kampfhandlungen die Weichen für den Fortgang Deutschlands gestellt. Wir suchen im Café Cecilie Schutz vor einem Regenschauer. Otto bestellt zwei Cappuccino und Sonnenschein und bekommt prompt alles. Die 14 € Eintritt ins Museum sind uns allerdings zu heftig. Weiter zum Marmorpalais von König Friedrich Wilhelm II. Ein seltsamer Bau. Irgendwie unstimmig. Gefällt uns übereinstimmend nicht. Schöner anzuschauen ist die Orangerie am südlichen Ende des Neuen Parks. Sonne und Nieselregen wechseln sich ab. Wir radeln weiter zur Glienicker Brücke, wo in der Zeit des Kalten Krieges Agenten von USA und Sowjetunion ausgetauscht wurden. Wir tauschen hier in der Villa Schöningen Hunger gegen total leckere Quiche. Ein gutes Stück weiter im Holländischen Viertel herrscht reges Treiben. Alle Straßenrestaurants und -cafés sind voller Menschen. Nach langem Suchen ergattern wir beim „Fliegenden Holländer“ einen Logenplatz. Der Ober bringt uns die Karte und ignoriert uns fortan. Irgendwann reißt unser Geduldsfaden. Wir verzichten auf Kaffee und Blechkuchen mit Sahne. Das Coffein nehmen wir dann später im Womo zu uns. Gut, dass der größte Teil des Tages trocken geblieben ist.
Mit den Rädern sind wir in wenigen Minuten beim Brandenburger Tor am Luisenplatz und stellen sie dort ab. Gleich an der Ecke bei KPM (Königliche Porzellan Manufaktur) entdeckt Rosmarie wunderschöne Teller. Zwei Stück 26 cm kosten 99 Euro. Ottos Geldbeutel lacht, weil ja Sonntag und geschlossen! Wir schlendern durch die Brandenburger Straße, vorbei an schönen Geschäften, Restaurants und Cafés. Vor allen Bäckereien lange Warteschlangen. Der Platz der Einheit ist unspektakulär. Die weithin sichtbare große grüne Kuppel der Nikolaikirche ist ein Wahrzeichen Potsdams und dominiert den Alten Markt. Auch innen ist das Gotteshaus beeindruckend, erst recht, als der Organist in die Tasten greift. Wir werfen einen Blick auf die Freundschaftsinsel und genehmigen uns einen Kaffee. Über Lustgarten, Filmmuseum zum Dampfmaschinenhaus. Heute schon befremdlich, dass man Mitte des 19. Jh. eine Pumpenstation für die Brunnen von Sanssouci als Moschee verkleidete. Heimwärts radeln wir auf dem Ökonomieweg durch den Park von Sanssouci. Laut Parkordnung darf ausschließlich dieser per Rad benutzt werden. Das kümmert hier außer uns keinen. Er ist sehr kurzweilig der königliche Garten. Unvermittelt tauchen Gebäude und Brunnen unterschiedlichster Stilrichtungen auf. Wir stoppen am Chinesischen Haus und am Neuen Palais. Mit einem späten Spaziergang zur Orangerie und zum Drachenhaus verkürzen wir den ohnehin langen Abend.
Wir verlassen den ungemein praktischen, toll gelegenen Stellplatz. 45 Euro für drei komplette Tage in Potsdam sind wahrlich günstig. Rosmarie möchte zum Abschied noch unbedingt zur Heilandskirche bei Schloss Sacrow. Von König Friedrich Wilhelm IV. im Stil einer italienischen Kirche mit freistehendem Glockenturm in Auftrag gegeben, vervollständigte sie den Kranz von Parks und Palästen rund um den Potsdamer Havellauf. Nach dem Mauerbau durfte sie aufgrund ihrer Lage am Grenzstreifen nicht mehr benutzt werden. Die Folge war Verwahrlosung und Verwüstung. Heute ist sie vollständig renoviert, leider nur von Freitag bis Sonntag geöffnet. Mit dem kurzen Weg durch den Park verabschieden wir uns von einer absolut sehenswerten Stadt Potsdam. 350 Kilometer weiter stellen wir den Motor auf dem Autohof Thiersheim ab. Mensch und Maschine können hier versorgen und rasten. Der Stromanschluss ist sogar kostenlos.
Brrr, die Nacht war kalt. Letztlich kommen wir gegen Mittag gut zuhause an. Wir hatten superschöne Tage auf Bornholm, das Wetter auf Dänemarks Sonneninsel war viel besser als erwartet und erst gegen Ende durchwachsen. Wir hatten zuviel warme Bekleidung dabei. Als ungeplanter Leckerbissen zum Schluss stellte sich der Besuch von Potsdam heraus. Beide Reiseziele verdienen unsere Top-Empfehlung!