Eigentlich sollten Rentner nicht am langen Wochenende wegfahren. Aber um uns mit den Nicht-Rentnern Bettina und Eberhard treffen zu können, brauchen wir arbeitsfreie Tage. Die Auslastung des Stellplatzes in Memmingen, sie lässt sich online prüfen, ist meist hoch. So entschließen wir uns zu einer frühen Anreise am Freitag und haben Glück. Die vorletzte freie Parzelle ist unsere. Am Nachmittag gehen wir ins historische Zentrum. Den Marktplatz dominieren das Steuerhaus und das Rathaus. Kaffee gibt‘s am Weinmarkt. Vor uns die alten Zunfthäuser. In den Räumen der Kramerzunft verfassten die oberschwäbischen Bauern 1525 in 12 Artikeln ihre Forderungen für ihre Freiheit. Die Kirche „Unser Frauen“ ist vermutlich die älteste Kirche der Stadt. Ihre gut erhaltenen Fresken stammen aus dem 15. Jahrhundert.
Mit den Rädern wollen wir heute nach Ottobeuren. Das erste Ziel aber ist der „Alte Friedhof“ im Osten Memmingens. Wir fragen ein Ehepaar nach dem besten Weg dorthin und erhalten zwei völlig unterschiedliche Empfehlungen. Gut, dass wir nur zwei Personen gefragt haben. Der Friedhof wurde bereits 1930 aufgelassen und die ehemalige Leichenhalle wird von der Stadtkapelle als Probenraum genutzt. Der weitere Weg gestaltet sich als überaus schwierig. Mehrere Baustellen zwingen uns auf Umwege und als wir eine junge Frau mal wieder um Rat bitten, fragt sie zunächst erstaunt, warum wir so kompliziert unterwegs sind. Die restliche Strecke führt auf guten Radwegen durch das sommerliche Unterallgäu. Das Stift Ottobeuren und die Basilika prägen das Erscheinungsbild des Ortes. Das mehr als 1250 Jahre alte Benediktinerkloster blickt auf eine illustre Geschichte zurück. Wir aber widmen uns ausschließlich der barocken Basilika. Sie ist den Heiligen Alexander und Theodor geweiht - für uns sehr ungewöhnlich. Die beiden über 80 Meter hohen Zwiebeltürme ragen weithin ins Tal der Günz. Weltberühmt sind die nahezu im Originalzustand von 1766 erhaltenen beiden Chor-Orgeln. Unglaublich ist die Zahl der 1.200 Engel und Putten. Und wirklich kurz sind die nur zwei Jahre Arbeitszeit, in denen die Deckenfresken gemalt wurden. Abends werden wir im „Weber am Bach“ lukullisch mit einer „Schwäbischen Trilogie“ verwöhnt. Schmeckt wirklich sensationell!
Einsamkeit, strenges Fasten, ein mitternächtliches Chorgebet gehören zu den Ordensregeln der Kartäuser Mönche. Nur der Prior eines Klosters liest Zeitung und informiert seine Mitbrüder über die wichtigsten Neuigkeiten in der Welt. Wenn auch die Mönche nichts besitzen durften, so erwarb die Kartause in Buxheim unglaublichen Reichtum. 22 Mönchshäuschen reihen sich entlang des Kreuzganges und boten den privilegierten Priestermönchen ein großzügiges Refugium mit eigenem Garten. Ein besonderes Juwel ist das weltberühmte Chorgestühl der Klosterkirche. Infolge der Auflösung der Kartause im Zuge der Säkularisation wurde das Kunstwerk mehrfach versteigert. und landete schließlich im St. Saviour’s Hospital in London. 1980 endlich wurde es zurückgekauft und restauriert. Bevor wir das alles besichtigen können, muss aber Rosi zunächst Otto verarzten. Bei dem Versuch, sich besonders dynamisch den Fahrradsattel zu schwingen, ist er gleich wieder abgestiegen und hat reichlich Haut auf dem harten Teer zurückgelassen. Die Annakapelle wurde im 18. Jahrhundert von Dominikus Zimmermann umgestaltet und stuckiert. Sein Bruder Johann Baptist schuf die Fresken. Die weitere geplante Radtour Iller-abwärts wird an einer unüberwindlichen Großbaustelle jäh gestoppt. Was nun? Wir wenden und fahren dann eben flussaufwärts bis Ferthofen, um dort im Garten des einfachen Gasthofs „Bruckwirt“ Rast zu machen. Abends treffen wir unsere „Nepalesen“ Bettina und Eberhard im Stadtpark „Neue Welt“ und ratschen ausgiebig.
Unsere letzte Radwanderung führt uns heute ins benachbarte Baden-Württemberg. In Rot an der Rot wartet die Klosterkirche St. Verena auf unseren Besuch. Auch hier finden wir wieder ein prächtig geschnitztes Chorgestühl. Im Ort herrscht rege Betriebsamkeit. Die Stände und Buden des Dorffests werden abgebaut. Heute am Feiertag? Dann wird uns klar, dass außerhalb vom katholischen Bayern Mariä Himmelfahrt nicht arbeitsfrei ist. Am Nachmittag lassen wir uns, zurück in Bayern, Kaffee und Bettinas selbst gemachten Streuselkuchen schmecken. Und am Abend sitzen wir wieder in trauter Zweisamkeit auf unserem Balkon zuhause.