Endlich können wir den Teufelskreis von Krankheit, Klinikaufenthalt und Arztterminen durchbrechen. Das Womo war am Dienstag mängelfrei beim TÜV. Inklusive Gasprüfung kostete die Plakette für die nächsten zwei Jahre stolze 207 Euro! Gestern Nachmittag haben wir gepackt, heute Früh noch die Fahrräder montiert und den Kühlschrank bestückt. In Marktl am Inn erwartet uns der "Camping am Marktler Badesee", wo wir für eine Woche reserviert haben. Über Erding führt die Strecke Richtung A94. Eine Baustelle mit Vollsperrung zwingt uns auf eine ausgeschilderte Umleitungsstrecke. Eine weitere Baustelle nebst dazugehöriger zusätzlicher Umleitung mündet im Irrgarten. Weit abseits unserer Planung landen wir bei Markt Schwaben endlich auf der Autobahn. Von hier gelangen wir störungsfrei rechtzeitig vor der Mittagsruhe ans Ziel. Der Campingplatz ist gut zwei Kilometer außerhalb von Marktl. Der Ort selbst ist wahrlich nicht schön. Einzig das Geburtshaus von Papst Benedikt XVI und das Rathaus mit Heimatmuseum nebenan am Marktplatz sorgen für moderaten Glanz. Am Abend spazieren wir zum Badesee unterhalb der urigen Holzterrassen der "Seeblickstellplätze". Das Gelände ist durchaus gepflegt, aber leider vergällen uns massig vorkommende Wasserpflanzen ein Schwimmvergnügen.
Die gestern Abend bestellten Semmeln der Bäckerei Baisl sind keine Offenbarung. Otto wird das Frühstücksbrot zukünftig jeden Morgen in Marktl selbst besorgen. Frau Baier, unsere Gastgeberin, hat uns mit einer regionalen Radwegekarte ausgestattet. Wir wählen auf ihr zur Einstimmung das kurze Stück zum "Innspitz", dem Zusammenfluss von Inn und Salzach. Nach dem Rückweg über die Innbrücke bei Stammham sind wir glücklich, wie problemlos Rosi die erste Ausfahrt gemeistert hat. Kaffee gibt's aber erst, nachdem die defekte Zündsicherung des Gasherds repariert ist. Am Abend feiert Otto den grandiosen Eröffnungssieg der deutschen Fußballmannschaft gegen Schottland beim "public viewing" vor einer großen Kinoleinwand in der Scheune des Campingplatzes.
Weil es gestern so gut geklappt hat, wagen wir heute eine längere Etappe. Der Himmel ist grau in grau, für uns zum Radfahren ideal. Der Radweg nach Neuötting ist eine feste ungeteerte Piste immer direkt am Inn entlang. Wir sind fast alleine unterwegs. So macht Radfahren richtig Spaß. Am Peracher Badesee, der uns noch besser gefällt als der Marktler, genehmigen wir uns eine kleine Stärkung beim Kiosk. Das Wurst- bzw. Käsebrot sind ein überschaubarer Genuss: eine trockene Scheibe Graubrot, darauf ein Salatblatt, bedeckt mit einigen mageren Scheiben Wurst bzw. Käse. Garniert wird das Ganze von einer weiteren trockenen Scheibe Graubrot. Wir sind die einzigen Gäste. Warum wohl? Vorbei am Innkraftwerk erreichen wir Neuötting und sind nach dem identischen Rückweg mit insgesamt über 30 gefahrenen Kilometern stolz wie Graf Koks.
Anita und Franz waren mit ihrem Bulli im sonnigen Kroatien gewesen, haben am Schluss noch ein paar feuchte Tage am Millstätter See verbracht und fahren heute nach Hause. Weil Marktl gar nicht so weit abseits ihrer Route liegt, haben sie für den frühen Nachmittag einen Kurzbesuch bei uns angekündigt. Wir treffen uns beim Café am Rathaus. Nach unserer Kenntnis ist es das einzige. Sie haben viel von ihrer Reise zu erzählen, wir hören gebannt zu. Leider müssen die Beiden schon bald wieder aufbrechen, schade. Inzwischen ist es sehr sonnig geworden. Für die nächsten Tage ist eine Hitzewelle mit bis zu 30 Grad angekündigt.
Entgegen der Empfehlung von Frau Baier wählen wir für die Tour nach Burghausen den kürzeren Radweg entlang der B20 durch den Daxenthaler und Holzfelder Forst. Ja, dort haben wir steten Verkehrslärm. Dafür entgehen wir dem Risiko, uns auf der deutlich längeren Strecke über Haiming laufend zu verfahren. Und so stellen wir nach 13 Kilometern ganz entspannt die Drahtesel an der weltlängsten Burg ab. Inzwischen brennt die Sonne erbarmungslos. Unerschrocken durchstreifen wir die mehr als einen Kilometer langen fünf Höfe der mittelalterlichen Befestigungsanlage. Der Hunger treibt uns in die Altstadt hinunter ins gleichnamige Café. Im schattigen Garten an der Salzach schmeckt die tolle Salatschale gleich noch einmal so gut. Der steile Rückweg in der prallen Sonne hoch zu den Rädern vor der Burg ist anschließend eine echte Herausforderung. Der Fahrtwind beim Zurückfahren nach Marktl verschafft Linderung, die in der spätnachmittäglichen Hitze am schattenlosen Stellplatz ein jähes Ende findet. Für diese Temperaturen sind wir nicht geschaffen.
Weil es ja auch heute weiterhin heiß bleiben soll, rasten wir vormittags noch am Campingplatz unter unserer Markise und starten erst mittags eine Radtour durch den schattigen Alzgerner Forst nach Emerting. Der dortige Gasthof Schwarz wird allgemein gelobt. Wir stellen die Räder neben dem Eingang ab und lesen frustriert: heute Ruhetag! Otto fragt die freundliche Dame an der Rezeption, ob wir vielleicht trotzdem etwas zu trinken bekommen könnten. Gar kein Problem. Wir dürfen uns an einem Kühlschrank selbst bedienen und deponieren das nötige Bargeld in einem Sparschwein. Selbst die Toiletten können wir benutzen. Ein wirklich rundum zuvorkommender Service! Auch der weitere Rückweg nach Marktl durch das Klosterholz verläuft überwiegend schattig und angenehm. Das Abendprogramm gleicht dem gestrigen: schmoren im eigenen Saft.
Was haben wir unsere direkten Nachbarn um den Baum und seinen Schatten vor ihrem Womo die letzten Tage beneidet. Als sie sich heute von uns verabschieden, fragt Otto sofort bei Frau Baier nach, ob wir dorthin wechseln können. Gar kein Problem! Und hier geht's uns gleich viel besser. Mittags speisen wir im gemütlichen Garten vom Gasthof Hummel in Marktl. Wir besuchen danach die Pfarrkirche St. Oswald, in der Josef Ratzinger am Karsamstag 1927 getauft worden war. Sein fast 300 Jahre altes Geburtshaus oberhalb am Marktplatz ist heute Museum. Es ist schlicht und stilvoll eingerichtet. Bemerkenswert, dass die Erklärung zum Amtsverzicht von Papst Benedikt XVI und der 60. Geburtstag von Otto auf ein und den denselben Tag zusammenfallen. Und nur drei Monate später hat auch Otto sein Berufsleben beendet. Am Abend genießt er den deutschen Einzug ins Achtelfinale wieder beim "public viewing" in der Scheune.
Das waren sie, unsere Tage am Inn. Der Campingplatz von Familie Baier ist ländlich einfach. Die wenigen Seeblickstellplätze sind eine echte Augenweide. Marktl selbst muss man nicht gesehen gaben. Aber die Umgebung bietet zahlreiche ebene Radwege mit interessanten Zielen. Uns war es in der zweiten Hälfte definitiv zu heiß. In erster Linie aber sind wir froh, dass Rosi nach ihrer Operation wieder auf die Beine gekommen ist und zu einem normalen Leben zurückgefunden hat.